Solidarität mit Yücel
Unterstützer fordern Freilassung des Journalisten
(dpa/AFP) - Die Verhaftung des „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel in der Türkei wird in Deutschland mit Empörung aufgenommen. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Dienstag in Berlin, das Verhältnis beider Länder „steht gerade vor einer der größten Belastungsproben in der Gegenwart“. Der türkische Botschafter in Deutschland, Kemal Aydin, wurde wegen des Vorgehens der türkischen Justiz zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten, wie Gabriel mitteilte. Yücel war am Montag nach 13 Tagen im Polizeigewahrsam in Untersuchungshaft genommen worden. Diese kann fünf Jahre dauern, bis es zur Freilassung oder zu einem Prozess kommt.
In Städten wie Berlin, Köln, Frankfurt und München bildeten sich Autokorsos zur Unterstützung Yücels. Auch der Bundestag soll sich in der kommenden Woche mit dem Fall befassen.
- Von seiner Zelle in der Untersuchungshaft im Metris-Gefängnis von Istanbul aus kann Deniz Yücel möglicherweise das Rauschen der nahen Autobahn hören, die aus der türkischen Metropole hinaus Richtung Westeuropa führt. Doch auf die Freiheit wird der 43-jährige Korrespondent der „Welt“nach Einschätzung seiner türkischen Unterstützer wohl noch lange warten müssen. Dem erwarteten Einspruch von Yücels Anwälten gegen die U-Haft werden kaum Chancen eingeräumt. Die bekannt gewordenen Vorwürfe gegen den Journalisten verdeutlichen laut türkischen Regierungskritikern zudem, dass am Fall Yücel ein Exempel statuiert werden soll.
Im Metris-Gefängnis saßen in den vergangenen Monaten auch andere Journalisten ein, die wegen ihrer Arbeit inhaftiert wurden. Viele der mehr als 150 inhaftierten Berichterstatter in der Türkei sind ohne Prozess und sogar ohne Anklage hinter Gittern. Der Fall der Brüder Ahmet und Mehmet Altan, die seit fast einem halben Jahr ohne Anklageschrift im Gefängnis sitzen, wird jetzt vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg aufgegriffen. Türkische Regierungsgegner werfen den Behörden eine Hexenjagd auf Andersdenkende vor, bei der rechtsstaatliche Prinzipien über Bord geworfen werden.
Vierstündige Vernehmung
Auch im Fall Yücel sehen Regierungskritiker viel Willkür im Spiel. Rund vier Stunden dauerte die Vernehmung des Reporters durch den Haftrichter. Am Ende sei der Reporter sehr niedergeschlagen gewesen, sagt der Oppositionspolitiker Sezgin Tanrikulu, der Yücel den ganzen Tag beigestanden hatte. „So schnell kommt er wohl nicht wieder raus“, sagte Tanrikulu. „Seine Inhaftierung ist eine Botschaft an alle ausländischen Journalisten in der Türkei.“
Erst am Ende der auf 14 Tage befristeten Haft sei der deutsch-türkische Reporter vernommen worden, betonte Tanrikulu – „dabei hätte er schon am ersten Tag freigelassen werden müssen“. Nun werde es innerhalb einer Woche wahrscheinlich einen Einspruch der Verteidiger von Yücel geben. „Wenn der neue Richter keine anderslautende Weisung erhält, ist es unwahrscheinlich, dass er anders entscheidet als der erste.“Schließlich gilt Yücel der Justiz als mutmaßlicher Terrorhelfer. Wie die türkische Nachrichtenagentur DHA meldete, wurde der Journalist bei der Befragung durch den Haftrichter mit einigen seiner Artikel konfrontiert: Ein Interview mit PKKKommandeur Cemil Bayik zum Beispiel wurde Yücel laut DHA als Beitrag zur Legitimierung der Kurdenrebellen ausgelegt, ein zitierter Witz über Kurden und Türken als Volksverhetzung. Der Hinweis auf fehlende Beweise für den Vorwurf der türkischen Regierung, der Prediger Fethullah Gülen habe den Putschversuch organisiert, wurde als Propaganda für eine Terrororganisation gedeutet.
Yücel wies alle Vorwürfe zurück und betonte, er liebe die Türkei „trotz aller ihrer Fehler und Mängel“. Er habe keine Anweisungen von irgendeiner Gruppe erhalten. Sollte Yücel verurteilt werden, müsste er nach dem Antiterrorgesetz zu bis zu siebeneinhalb Jahre im Gefängnis bleiben.
Politische Proteste aus Deutschland könnten dem Reporter kaum helfen, sagte Tanrikulu. Bundeskanzlerin Angela Merkel führe zwar die EU-Regierung mit dem größten Einfluss auf die Türkei. „Aber wenn Merkel wirklich etwas ausrichten könnte, wäre Deniz nicht in Haft gekommen“, sagte der Politiker der säkulären Oppositionspartei CHP.
Selbst in Reihen der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan macht sich allerdings Unbehagen breit. Mustafa Yeneroglu, Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses im türkischen Parlament, kritisierte die Entscheidung des Haftrichters. In regierungsnahen politischen Kreisen in der Türkei hieß es, Yücels Inhaftierung sei übertrieben.