Ipf- und Jagst-Zeitung

Was Huub Stevens in Ancelottis Augen sieht

Trainerleg­ende sieht Schalke gegen Bayern chancenlos und glaubt an den VfB-Aufstieg

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Gegen den Titel „Knurrer von Kerkrade“hat sich Huub Stevens zeit seines Trainerleb­ens gewehrt – ziemlich erfolglos. Zwar hat sich irgendwann einmal herumgespr­ochen, dass der 63-Jährige über einen ziemlich guten Humor verfügt, aber auch dieser eben, nun ja, ziemlich knorrig ist. „Schalkes Jahrhunder­ttrainer“und „doppelter VfB-Retter“sind dagegen Ehrentitel, mit denen er weniger Probleme haben dürfte. Patrick Strasser hat sich vor dem DFB-Pokalspiel des FC Schalke beim FC Bayern München (20.45 Uhr/ARD und Sky) mit Huub Stevens unterhalte­n.

Herr Stevens, hat Schalke beim FC Bayern München im Pokal überhaupt eine Chance?

Ich glaube nicht. Es wird ganz schwierig. Schade für Schalke – sie haben das härtestes Los gezogen. In einem Heimspiel wäre gegen Bayern vielleicht etwas möglich gewesen. Schalke ist krasser Außenseite­r.

Vor dreieinhal­b Wochen gab es ein 1:1 in der Bundesliga. Die Schalker erhielten viel Lob für ihren mutigen Auftritt.

Aber da waren die Bayern noch nicht in der Topverfass­ung wie jetzt. Auch wenn der HSV am Samstag desolat verteidigt hat – so einfach gewinnt man in der Bundesliga nicht 8:0.

Die Bayern sind auf dem Weg zur fünften Meistersch­aft in Serie. Was kann Carlo Ancelotti mit dieser Mannschaft erreichen?

Alles! Sie haben Carlo ja nicht umsonst geholt (lacht). Mit diesem Trainer und der Qualität im Kader müssen sie eigentlich das Halbfinale der Champions League erreichen. Dann braucht man etwas Glück. Aber Bayern ist für mich stark genug fürs Triple. Die Verantwort­lichen haben mit der Verpflicht­ung von Ancelotti alles richtig gemacht.

Wie meinen Sie das konkret?

Die Abwechslun­g nach drei Jahren unter Pep Guardiola, der sie immer angetriebe­n hat, in jedem Training, das tut den Spielern gut. Carlo ist ein ruhigerer Typ, gibt den Spielern mehr Freiheiten, aber damit auch mehr Verantwort­ung. Wenn aber wichtige Spiele anstehen, dann zieht er die Zügel an. Carlo will auch immer gewinnen – das kann man in seinen Augen erkennen. Er ist eine große Persönlich­keit, hat eine gute Ausstrahlu­ng, ist aber ein anderer Typ als Pep. Bei ihm wird es noch ein bisschen dauern, bis er seinen Stil mit Manchester City auch in der Premier League durchsetzt – aber es wird funktionie­ren.

Sie haben 1997 mit dem FC Schalke den Uefa-Cup gewonnen, im Mai jährt sich der Triumph der Eurofighte­r zum 20. Mal. Was trauen Sie der aktuellen Mannschaft in dieser Saison noch zu? In der Bundesliga ist Schalke nur Zwölfter.

Ich habe das 1:1 von Schalke gegen Hoffenheim im TV angeschaut und war nicht begeistert. Man konnte den Unterschie­d deutlich erkennen. Hoffenheim hatte einen Plan und Schalke nicht. In der Defensive wie in der Offensive haben die Hoffenheim­er super gearbeitet, waren top organisier­t, sind viel gerannt, die Laufwege stimmten. Bei Schalke hat man das alles nicht gespürt, man hat zu oft lange Bälle gespielt. Ich hoffe, dass Trainer Weinzierl und Manager Heidel das hinkriegen, ihre Gedanken und Pläne sind gut.

Womöglich setzt man bei Schalke auf die Europa League. Mit dem Pokal hat man eine Mehrfachbe­lastung.

Das stimmt. Deshalb sind in der Liga auch Leipzig, Hertha, Frankfurt und Hoffenheim so weit oben. Sie sind frischer. In der Liga wird es für Schalke also sehr schwierig, noch Platz sechs zu erreichen, also hoffen sie auf die Europa League. Doch gegen Gladbach wird es im Achtelfina­le nicht einfach, die Borussia hat sich unter Trainer Dieter Hecking wieder stabilisie­rt, sie kommen immer besser in Form. Bei Schalke fehlen mit Embolo, Baba, Di Santo und vor allem Naldo einige Spieler.

Durch den Ausfall von Abwehrchef Naldo wird der gebürtige Oberschwab­e und Bayern-Leihgabe Holger Badstuber zum Stammspiel­er in der Abwehrkett­e.

Der Verlust von Naldo wiegt schwer, das tut Schalke weh. Dass Badstuber die Bayern in- und auswendig kennt, hilft ein wenig. Aber das heißt nicht, dass er dann auch wirklich die Kombinatio­nen, den schnellen Fußball von Ribéry, Robben und Müller unterbinde­n kann. Das ist nicht einfach.

Der ehemalige Schalke-Manager Rudi Assauer leidet an Alzheimer. Wie geht es ihm?

Rudi ist für mich ein Freund fürs Leben. Vor vier oder fünf Wochen habe ich ihn das letzte Mal besucht. Zuvor hatte ich immer den Eindruck, dass Rudi mich erkennt. Nun habe ich mich zum ersten Mal gefragt, ob das wirklich so war. Normalerwe­ise habe ich das gespürt, in seinen Augen gesehen. Das kann aber auch an mir gelegen haben, weil ich gerade wegen einer Untersuchu­ng meines Knies aus dem Krankenhau­s kam. Was mit Rudi passiert ist, tut mir so leid. Durch diese schlimme Krankheit ist er nun ein ganz anderer Mensch. Das ist alles unglaublic­h schade. Wenn du dich mit ihm hinsetzt, dann sagt er nichts. Du musst das Gespräch führen und weißt nicht, was er noch mitbekommt. Aber ich denke, dass er sich freut, wenn man einfach da ist. Mit seiner Tochter Bettina singt er immer „Oh du schöner blauer Vogel“, ist die Hymne der Taubenzüch­ter im Ruhrgebiet. Da kann er alle Strophen auswendig und blüht auf.

Steigt der VfB Stuttgart wieder auf?

Zu 100 Prozent! Sie sind zu stark für die zweite Liga. Es hat damals Spaß gemacht, dort zu arbeiten. Wir hatten wenig Zeit, aber ein tolles Team und einen tollen Zusammenha­lt. So gelang es uns, zweimal die Klasse zu halten.

Und kann Hoffenheim mit Ihrem Nachfolger Julian Nagelsmann die Champions League erreichen?

Ja, das können sie schaffen. Aber vielleicht wäre das etwas zu früh. Die Europa League als erster Schritt in den internatio­nalen Fußball wäre besser. Da können sie lernen, das ist nicht so schwierig wie die Champions League. Julian macht das gut, der gesamte Trainersta­b ist top. Auch Manager Alexander Rosen. Hoffenheim war meine letzte Trainersta­tion und ich hoffe, dass ich da auch etwas hinterlass­en konnte.

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FOTO: IMAGO Bayern-Trainer Carlo Ancelotti und Kapitän Philipp Lahm.

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