Ein bisschen Comeback
Fury in the Slaughterhouse haben zum 30. Geburtstag für ein Album und eine Tour wieder zusammengefunden
- Die Zahl der deutschen Bands, die in den USA wirklich erfolgreich waren, hält sich in überschaubaren Grenzen. Viele Künstler werden geschätzt, die Electro-Pioniere Kraftwerk etwa, die Esoteriker von Tangerine Dream oder auch die Krautrocker Can. In großen Stückzahlen verkauft haben sich in Übersee aber eigentlich nur die Alben von Rockern wie den Scorpions oder später das teutonisch klingende Gebrüll von Rammstein. Doch dazwischen, Anfang der 1990er-Jahre, gab es eine kleine, sympathische Band aus Hannover, die in den amerikanischen College-Radios ebenso rauf und runter gespielt wurde wie auf MTV: Fury in the Slaughterhouse.
Mit „Every Generation Got It’s Own Disease“, einem Song über Aids, landeten sie sogar auf Rang 21 in den Billboard-Single-Charts, das dazugehörige Album „Mono“stieg bis auf Rang 15. In Kanada, das sie neben den Staaten auch bereisen, wurden die Norddeutschen in Unkenntnis ihrer Herkunft als „beste irische Band seit U2“gelobt. In Deutschland wurden ihre Platten regelmäßig vergoldet.
Gegründet im Frühjahr 1987 trotzte die fünfköpfige Combo um die in Hannover groß gewordenen Brüder Kai und Thorsten Wingenfelder dem damaligen Trend und schwamm mit erdigem, handgemachten Rock erfolgreich gegen die Neue Deutsche Welle an. Als längst niemand mehr Lieder über kleine Taschenlampen, hohe Berge oder Katherines Luxuslimousine sang, rockten Fury immer noch – und zwar bis zu ihrer Auflösung 2008.
Nun, 30 Jahre nach ihrem ersten Auftritt, haben Fury in the Slaughterhouse erneut zusammengefunden – für einen womöglich letzten Ritt: Mit „30 – The Ultimate Best of Collection“(Starwatch/Sony) erscheint Anfang März ein neues Album, die Jubiläumskonzerte am 10./11./12. März in Hannover waren in Nullkommanichts ausverkauft.„Diese Resonanz war unglaublich überwältigend und hat uns motiviert, noch über die drei Konzerte in Hannover hinaus zu denken. Herausgekommen ist eine kleine, feine Sommer-Open-AirTour“, sagt Sänger Kai Wingenfelder. Eine Konzertreise, welche die Niedersachsen auch nach Mannheim zum Zeltfest Rhein-Neckar und später in den Hof des Klosters Wiblingen vor den Toren Ulms führen wird.
Ein Comeback? Davon will Wingenfelder nichts wissen. Noch nicht. Die Furys hätten sich fürs Jubiläum vereinigt, quasi auf Wunsch der Fans. Doch auch die neue Platte „30“, die am 10. März erscheint, ist keine reine Zusammenstellung alter Lieder geworden. Tatsächlich verbirgt sich – nach zwei Silberlingen mit den klanglich hervorragend remasterten Hits wie „Every Generation“, „Radio Orchid“, „Won’t Forget These Days“, „Brilliant Thieves“oder „When I’m Dead And Gone“– auf CD 3 nichts anderes als ein neues Mini-Album, früher hätte der Musikfreund von einer EP gesprochen. Das Werk heißt „The Last Order“und hält sechs neue Lieder plus zwei Remixe parat. „30 (It’s Not Easy)“erschien bereits Anfang 2016 und hätte sich mit seinem erdigen Klang und dem eingängigen Refrain – ebenso wie das herrliche „The Last Order“– auch gut auf jedem der drei besten Alben der Hannoveraner gemacht, auf „Jau!“, „Hooka Hey“oder eben „Mono“. Auch das melancholische „Love Has Gone Home“ist schön geworden. Der Tenor: Die Liebe ist verschwunden, aber eben nur für eine Weile. Genau wie Fury in the Slaughterhouse: Die Band war ein paar Jahre lang weg, doch nun, zum Jubiläum, ist sie wieder da.
Nicht modern, sondern zeitlos
Natürlich klingen auch die neuen Songs nicht modern. Aber warum auch? Wieso sollte eine Rockgruppe, die dem Zeitgeist schon vor 30 Jahren trotzte, sich ausgerechnet jetzt anpassen? BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken, seit Jahrzehnten mit den Wingenfelders befreundet, erinnert sich: „Es muss Anfang der 1990er gewesen sein, als mich dieser seltsame Bandname neugierig machte. Was ich dann hörte, stimmte mich hoffnungsvoll: keine an Radiotauglichkeit orientierte Popmucke, sondern handfester Rock’n’Roll ohne dämliches Gepose mit gut geschriebenen, nachvollziehbaren Songs und unverwechselbarer Stimme.“Ein zeitloser Sound. Das Gitarrenspiel des 50-jährigen Thorsten Wingenfelder, dem Haupt-Songschreiber der Band, ist weiter präzise und trotzdem zugleich irgendwie ungeschliffen. Sein großer Bruder Kai ist auch mit 57 Jahren noch bestens bei Stimme. So klangen und klingen Fury in the Slaughterhouse. Sie sind zurück – zumindest ein bisschen.