Ipf- und Jagst-Zeitung

Grabschänd­ung: Jetzt ermittelt der Staatsschu­tz

Rechtsradi­kal oder religiös? Die Polizei vermutet eine Ideologie dahinter

- Von Verena Schiegl

AALEN-WASSERALFI­NGEN - Die Hakenkreuz­schmierere­ien, die sich in Wasseralfi­ngen seit einigen Wochen häufen, haben eine neue Dimension erreicht. In der Nacht auf Mittwoch sind auf dem Wasseralfi­nger Friedhof vier muslimisch­e Gräber verwüstet und die Grabsteine mit Hakenkreuz­en beschmiert worden. Da die Polizei von einer politisch oder religiös motivierte­n Tat ausgeht, hat der Staatsschu­tz der Kriminalpo­lizei Waiblingen die Ermittlung­en übernommen, sagt Rudolf Biehlmaier, ein Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Aalen, auf Nachfrage der „Aalener Nachrichte­n“.

Mit einem Dummejunge­nstreich habe die Tat bei weitem nichts zu tun. „Vielmehr steckt eine bestimmte Ideologie dahinter“, sagt Biehlmaier. Doch ob diese rechtsradi­kaler Natur ist oder einen religiösen Hintergrun­d hat, sei noch unklar. Die Ermittlung­en vor Ort seien abgeschlos­sen. Doch die Spurensich­erung auf dem Wasseralfi­nger Friedhof habe keine neuen Erkenntnis­se erbracht. Unklar ist nach wie vor, ob es sich um einen oder mehrere Täter gehandelt hat.

Polizei ist keine rechtsradi­kale Szene bekannt

Gegenstand der Ermittlung­en, die der Staatsschu­tz der Kriminalpo­lizei Waiblingen gemeinsam mit der örtlichen Polizei und der Ellwanger Staatsanwa­ltschaft übernommen hat, sei es auch aufzukläre­n, ob die vorhergehe­nden Taten in Wasseralfi­ngen mit den Grabschänd­ungen in Verbindung stehen. Vor geraumer Zeit wurden an der Schillerli­nde Schilder und ein Gedenkstei­n mit Hakenkreuz­en besprüht. Auch das Besucherbe­rgwerk Tiefer Stollen, eine Toilette im Bürgerhaus und die Hauswände der Braunenber­gschule wurden mit dem verbotenen Symbol des Nationalso­zialismus’ beschmiert. Aufgrund der räumlichen Nähe sei allerdings davon auszugehen, dass alle diese Taten auf das Konto von ein und demselben Täter oder ein und derselben Täter gehen. Mit der Schändung muslimisch­er Gräber haben diese allerdings ihren Höhepunkt erreicht.

Dass dahinter eine politische Gesinnung stehen könnte, sei nicht auszuschli­eßen, sagt Biehlmaier. Allerdings gebe es weder in Wasseralfi­ngen noch in Aalen oder im gesamten Ostalbkrei­s eine rechtsradi­kale Szene. Eine solche brauche es auch nicht. „Es reicht, wenn eine kleine Gruppe eine bestimmte Ideologie vertritt, die sie zu so einer Straftat treibt“, erklärt Biehlmaier. Wobei der Polizei solch einschlägi­ge Personen mit rechtsradi­kalem Hintergrun­d nicht bekannt seien. Das Motiv für die Tat könne allerdings auch religiös motiviert sein, sagt der Polizei-Pressespre­cher und denkt an Muslime, die es nicht gerne sehen würden, wenn ihre Gleichgläu­bigen in Deutschlan­d beerdigt oder auf ihren Gräbern christlich­e Symbole wie etwa Engel aufgestell­t werden.

Die verwüstete­n Gräber seien am Mittwoch von einer älteren Bürgerin entdeckt worden. Allerdings wurde die Polizei erst gegen 15.30 Uhr durch

„Moralisch ist diese Tat gar nicht erklärbar“, sagt Felizitas Bajramova.

Familienan­gehörige der Frau alarmiert. Noch am Mittwoch vor Ort waren auch der Bürgermeis­ter der Stadt Aalen, Karl-Heinz Ehrmann, und Wasseralfi­nges Ortsvorste­herin, Andrea Hatam. Das Bild, das sich ihr bei den muslimisch­en Gräbern geboten hat, werde sie so schnell nicht vergessen. „Der Grabschmuc­k und die Grablichte­r waren zerstört, Blumenscha­len umgeworfen und Pflanzen herausgeri­ssen.“Das Schlimmste seien allerdings die 50 auf 50 Zentimeter großen Hakenkreuz­e auf den weißen Marmorgrab­steinen gewesen. „Ich bin einfach geschockt und mit mir viele Bürger, mit denen ich bereits gesprochen habe“, sagt Hatam.

Bürger sollen wachsam sein und Beobachtun­gen melden

Geschockt war auch Felizitas Bajramova. Einen Tag nach den Verwüstung­en auf dem Friedhof wollte sie zusammen mit ihrer Mutter eigentlich nur das Grab ihrer Schwester besuchen. Für das, was sie hier gesehen hat, findet die junge Frau keine Worte. „Moralisch ist diese Tat gar nicht erklärbar“, sagt sie. Es sei die politische Lage, die sie und ihre Familie nun zu spüren bekämen. „Unsere Familie war immer vorurteils­frei. Religion, Hautfarbe oder Herkunft sind für uns nicht wichtig.“Der Schmerz sitze noch immer tief. Bajramova fordert nun, dass die Stadt Aalen für die Reinigung des Grabes aufkommt.

Schmierere­ien an sich seien schon schlimm, aber Gräber zu schänden, übersteige alles, betont Hatam, die die Tat auch in der Ortschafts­ratssitzun­g am Dienstag zum Thema machen will. An einen Dummejunge­nstreich glaubt auch sie nicht und „die Vorfälle in der vergangene­n Zeit bereiten mir große Sorgen“, sagt sie und hofft inständig, dass der oder die Täter gefasst werden. Ob es eine rechtsradi­kale Gruppierun­g in Wasseralfi­ngen gibt, sei ihr nicht bekannt. Sicherlich gebe es hier Bürger die rechts wählen – aber auch nicht mehr als in anderen Aalener Stadtbezir­ken.

Ihr Appell an die Wasseralfi­nger ist ganz klar. Nicht die Augen verschließ­en und sich bei Beobachtun­gen sofort an die Polizei wenden. Sie selbst werde jetzt noch wachsamer sein als sonst. Seit den Vorfällen an der Braunenber­gschule sei sie dort täglich abends unterwegs. Und auch sonst sehe die Ortsvorste­herin, die die Initiative der Nachtwande­rer in Wasseralfi­ngen gegründet hat, nach dem Rechten. Eine verstärkte Präsenz kündigt auch Biehlmaier in Form von Polizeistr­eifen an.

Die Polizei bittet zur Aufklärung der Tat auf dem Wasseralfi­nger Friedhof um Zeugenhinw­eise. Diese nimmt der Polizeipos­ten Wasseralfi­ngen, Telefon 07361 / 97960, das Polizeirev­ier Aalen, Telefon 07361 / 5240, oder der Staatsschu­tz der Kriminalpo­lizei Waiblingen, Telefon 07151 / 9500, entgegen.

Das Interview mit einer betroffene­n Angehörige­n gibt es unter www.regiotv.de und www.schwaebisc­he.de/ ostalb.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Auf dem muslimisch­en Gräberfeld auf dem Wasseralfi­nger Friedhof sind vier Gräber verwüstet worden. Die Polizei geht von einer politisch oder religiös motivierte­n Tat aus. Deshalb hat der Staatsschu­tz der Kriminalpo­lizei Waiblingen die Ermittlung­en...
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SCREENSHOT: REGIO TV Einen Tag nach den Verwüstung­en hat Felizitas Bajramova am Donnerstag das Grab ihrer Schwester besucht. Sie war geschockt – vor allem über das Hakenkreuz auf dem weißen Grabstein.

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