Neue Strategien in der Flüchtlingspolitik
Europäische Innenminister tagen in Rom gemeinsam mit nordafrikanischen Staaten
- Die illegale Einwanderung nach Europa stoppen, den Grenzschutz verstärken und die wirtschaftliche Entwicklung in den Ausgangsländern jener Menschen verbessern, die unter lebensgefährlichen Bedingungen das Mittelmeer Richtung Italien zu überqueren versuchen – das sind die drei wichtigsten Ziele, die sich die Innenminister der Europäischen Union mit ihren Kollegen aus Libyen, Algerien und Tunesien gesetzt haben. Eine ständige „Kontaktgruppe“soll die Probleme verbessern, wurde bei einem Treffen in Rom vereinbart.
„Wir wollen versuchen, aus dem Gegeneinander – hier die Europäer, dort die Nordafrikaner – eine Gemeinsamkeit zu stiften“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Eine Gemeinsamkeit, so erklärte Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni, existiere bereits, „auch wenn wir uns alle schwertun, es zu verstehen“.
Gentiloni bezog sich damit auf die de facto engen Beziehungen zwischen Nordafrika und Italien und dem restlichen Europa. Im vergangenen Jahr kamen, so die offiziellen Zahlen aller erfassten illegalen Einwanderer, mindestens 181 000 Menschen nach Italien. Mindestens 5000 Menschen ertranken bei der gefährlichen Überfahrt von Libyen aus an die italienischen Küsten. Allein am Sonntag trafen in Italien fast 3000 Menschen ein, gerettet von der italienischen Küstenwache. In diesem Jahr, so Italiens Innenminister Marco Minniti, „gehen wir davon aus, dass mehr als 200 000 Menschen in unser Land kommen werden“.
Stabilisierung von Libyen wichtig
Die Stabilisierung des libyschen Staates ist aus Sicht von EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos der Schlüssel für die Lösung der Migrationskrise. „Wir stehen unter Druck, hier endlich etwas zu tun“, meinte Avramopoulos. Vor allem Italien bekommt den Druck zu spüren, die Auffanglager im Land sind so überfüllt, dass in nicht wenigen Fällen Menschenrechtsorganisationen von unzumutbaren Zuständen sprechen.
An den Gesprächen der Innenminister in Rom nahm auch Libyens Präsident Fayez Serraj teil. Er präsentierte eine Liste mit Forderungen, die, so Serraj, erfüllt werden müssten, um die Flüchtlingswelle effektiver als bisher an den Küsten des nordafrikanischen Landes zu stoppen. Das Ziel, erklärte Gentiloni, werde es sein, „so schnell wie möglich einen neuen Vertrag zur Zusammenarbeit zwischen Libyen, Italien und der EU zu erarbeiten“.
Um die Schleppermafia an den libyschen Küsten wirksam von ihrer Arbeit abzuhalten, brauche sein Land Fregatten, Hubschrauber, Militärfahrzeuge, Krankenwagen und Fachleute zur gezielten Kriminalitätsbekämpfung, meinte Libyens Präsident. Italiens Regierung zufolge belaufen sich die libyschen Forderungen auf rund 800 Millionen Euro. Brüssel hat bisher für Notmaßnahmen 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. EU-Kommissar Avramopoulos ließ durchblicken, dass Brüssel auch zur Bereitstellung von mehr Finanzmitteln bereit sei, um die Probleme zu lösen.
Aus der deutschen Kommission wurde bekannt, dass Berlin beim Thema Eindämmung der Flüchtlingswelle immer mehr auf Rom setzen werde. „Da immer mehr afrikanische und asiatische Flüchtlinge über Libyen zunächst nach Italien und dann nach Nordeuropa kommen“, so Italiens Innenminister Minniti, „ist es nur verständlich, wenn Berlin und Brüssel, aber auch Paris und das restliche Europa uns mehr als bisher unter die Arme greifen müssen“. Die Regierung Gentiloni strebt ihrerseits bilaterale Abkommen mit Libyen an, um die ganzen Probleme in der Flüchtlingspolitik in den Griff zu bekommen.
Italien versicherte dem libyschen Präsidenten, dass Rom zehn Krankenwagen, 24 Hochseeschlauchboote zur Schlepperbekämpfung und Satellitentelefone, Jeeps und eine nicht näher definierte Geldsumme zur Verfügung stellen werde. Einer der Kernpunkte der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Libyen und Italien betrifft ein gemeinsames Operationszentrum, von dem aus die Gewässer zwischen beiden Staaten rund um die Uhr überwacht werden sollen.