Mit Krebs länger leben
Lübecker Pathologe Sven Perner hält ersten Alumni-Vortrag am Hariolf-Gymnasium
(R.) - Rainer Matzner, 2012 in den Ruhestand verabschiedeter Schulleiter des Hariolf-Gymnasiums (HG), hat mit Kollegen eine Alumni-Vortragsreihe am HG initiiert. Sie soll den Kontakt zwischen ehemaligen Schülern aufrechterhalten. Geplant sind zwei Vorträge im Jahr. Das erste Referat hielt Professor Sven Perner.
Perner hat 1991 am HG Abitur gemacht und ist Direktor der Pathologie des Universitätsklinikums Lübeck und des Leibniz-Forschungszentrums Borstel für Medizin und Biowissenschaften. Der heute 45-Jährige hat entscheidende Beiträge zum Verständnis der Entstehung des Prostata-Karzinoms geleistet und wurde mehrfach ausgezeichnet
Seinem Vortrag stellte Sven Perner ein Voltaire-Zitat voran: „Das Geheimnis, zu langweilen, besteht darin, alles zu sagen.“Folglich beschränkte er sich auf Ausführungen, die auch für medizinische Laien verständlich waren. Krebs sei nicht gleich Krebs. So gut die Heilungschancen bei Morbus Hodgkin seien, so schlecht seien sie beim Karzinom der Bauchspeicheldrüse. Und: „Krebs ist eine genomische Erkrankung“, so Perner, ausgelöst durch Mutation der Erbinformationen einer Zelle. Wenn Chromosomen ihre Position verlagern, spricht man in der Genetik von Translokationen, die zu Fehlfunktionen wie bösartigen Tumoren führen können. Sie bilden vermehrt Tochtergeschwülste, die sich ihren Weg durch den Körper bahnen und schließlich zum Tod führen.
2005 gelingt der Durchbruch
Welche Bedeutung genetische Veränderungen für die Entstehung von Krebs haben, erforschte Perner an der Harvard Medical School in Boston. Forschungsschwerpunkt war die Suche nach molekularen Mechanismen, die beim zumeist langsam wachsenden Prostatakarzinom zu einem aggressiven und in kurzer Zeit tödlichen Verlauf führen. 2005 gelang dem Team um Mark Rubin, darunter auch Perner, die Identifizierung der TMPRSS2-ERG-Genfusion. Eine organ- und karzinomspezifische Veränderung, die zu aggressivem Tumorverhalten führt.
Es war ein Durchbruch und eine der spektakulärsten Entdeckungen der jüngeren Medizingeschichte. Perner ist dabei, diese Genfunktion als Biomarker in der Diagnostik zu etablieren. Dadurch werden zielgerichtete und individualisierte Therapien gegen Killer-Krebs möglich: „Wir werden Krebs vielleicht nicht ganz heilen, aber in einer chronischen Phase halten können.“Das heißt nichts anderes als: Mit Krebs länger leben.
Irgendwann, so Sven Perner, werde es Onkologen geben, die sich auf bestimmte Organe spezialisieren. Immer aber seien Mut, Querdenken, Frustrationstoleranz und die Fähigkeit zur Verknüpfung neuer Daten notwendig, um zu Fortschritten zu gelangen, die nicht nur Wissen vermehren, sondern auch Gesundheit schaffen könnten.