Ein letztes Tschö
Lukas Podolski nimmt gegen England Abschied von der Nationalmannschaft
(dpa/SID/sz) - Mit Poldi und Schweini fing alles an. Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger – die beiden Jungspunde –, die sich 2004 in die Herzen der deutschen Fans spielten, 2006 den Grundstein des Sommermärchens bildeten und acht Jahre später schließlich gemeinsam Weltmeister werden sollten. Doch während Schweinsteiger irgendwann namentlich seriös werden wollte und nur noch Basti genannt werden wollte, blieb Poldi immer Poldi – wahlweise auch „Prinz Poldi“. Ab morgen ist das Traumduo in der Nationalelf dann endgültig Geschichte. Schweinsteiger war im Sommer zurückgetreten. Nun folgt ihm Podolski in den Länderspiel-Ruhestand.
Doch mit dem Gedanken, dass der Herzenskölner bei seinem Abschiedsspiel am Mittwoch (20.45 Uhr/ARD) gegen England heulend und schluchzend über den Rasen läuft, wie es Kumpel Schweinsteiger getan hat, werden die Zuschauer wohl nicht ins Dortmunder Stadion kommen. Feuchte Augen? Tränen? Ein Kloß im Hals? Bei Lukas Podolski, der großen Frohnatur des deutschen Fußballs? Aber wer weiß es schon? Poldi sagt „Tschö“– nach fast 13 Jahren endet eine sehr spezielle DFB-Beziehung.
Das emotionale Spiel
Mit dem 130. Einsatz verabschiedet sich der nächste Weltmeister von 2014 beim Klassiker gegen England, für den Kapitän Manuel Neuer wegen Wadenproblemen absagen musste, aus seiner Lieblingsmannschaft. Eine Mischung aus Dankbarkeit und Wehmut wird den 31-Jährigen aber wohl doch erfassen. Die Augen dürften zumindest feucht glänzen. „Die Nationalmannschaft war für mich immer Herzenssache“, sagte Podolski. Ihm darf dieser Satz im kühlen Profibetrieb abgenommen werden.
Der Mann mit der Nummer 10 auf dem Rücken geht zum Start in das neue Länderspieljahr, das mit neuen Jungstars wie dem Leipziger Debütanten Timo Werner den langen Aufbruch des Weltmeisters zur geplanten Titelverteidigung im Sommer 2018 in Russland symbolisiert. Bayerns Thomas Müller hat der DFBWoche die passende Überschrift gegeben: „Am Mittwoch gibt es das emotionale Spiel, am Sonntag das wichtige Spiel.“Auf Podolskis Abschiedsabend folgt vier Tage später in Baku das nächste Punktspiel in der laufenden WM-Qualifikation in Aserbaidschan.
129 Länderspiele, 48 Tore, acht Turniere und ein WM-Titel lauten die nackten Zahlen einer bemerkenswerten Karriere. Als Podolski nach der Europameisterschaft 2016 in Frankreich seinen Rücktritt aus dem Nationalteam erklärte, äußerte er einen besonders feinen Satz: „Vom zweijährigen polnischen Jungen, der quasi nur mit einem Ball unter dem Arm nach Deutschland kam, zum Weltmeister – das ist mehr, als ich mir erträumen konnte.“
Bundestrainer Joachim Löw, den Podolski kumpelhaft mit Jogi ansprechen darf, war sein größter Förderer. Ein Verbündeter auch in den letzten, schwierigeren Jahren, als böse Kritiker Podolski in den Status eines Pausenclowns und eines DFB-Maskottchens herabwürdigen wollten. Löw schätzte Podolski immer als Fußballer, Teamplayer und als Menschen. „Bei aller Lockerheit und Leichtigkeit, für die er steht, ist er ein Vorbild an Professionalität und Einstellung, dem Erfolg hat er immer alles untergeordnet, auch sich selbst“, erklärte er.
Einen langen Weg gingen beide zusammen. Löw wird Podolski zum 98. Mal im DFB-Team einsetzen. Kein anderer Nationalspieler bestritt so viele Länderspiele unter ihm. Podolskis Anteil war am Ende allerdings mehr der des Trainingsweltmeisters, des Teamunterstützers am Spielfeldrand.
Podolski war kein Kapitän, auch wenn er die Binde im Verlauf einiger Länderspiele übernehmen durfte. Podolski, den es im Sommer nach Japan zu Vissel Kobe ziehen wird, war noch nicht einmal ein Weltklassestürmer. Er war anfangs tatsächlich eine Erscheinung: Nicht nur ein frecher Bengel mit einem Faible für Streiche, sondern auch ein Turbo auf der Außenbahn mit gewaltigem Linksschuss. Er hätte eine Kuh umschießen können.
An ihm ist auch die Entwicklung des deutschen Fußballs seit der dunklen „Rumpel-Scheißdreck-Käse“Zeit abzulesen: Je mehr diese voranschritt, desto weniger passte Lukas Podolski („Rein das Ding und ab nach Hause!“) hinein. Bei der EM 2008 und der WM 2010 in Südafrika war er ein Leistungsträger, 2014 dann am Ende mehr Gute-Laune-Onkel als tragende Säule. Und zwei Jahre später, bei der EM, wehrte er sich dagegen, das Maskottchen zu sein.
Das Ansehen im Kollegenkreis und ganz besonders das der Fans nahm nicht ab. „Schon der Abschied von Basti war ein sehr schöner Abend, und ich bin zuversichtlich, dass dieser genauso schön wird“, sagte Mats Hummels.
Eben jener Basti sendete dann auch per Brief in der „Welt“einen ganz speziellen Gruß an seinen Intimus. „Mit Deiner positiven Ausstrahlung, Deiner offenen Art und nicht zuletzt dank Deiner unnachahmlichen linken Klebe hast Du nicht nur mich, sondern auch das deutsche, englische und türkische Publikum gleichermaßen begeistert. Servus, Poldi, mein Freund. Bis bald!“