Ipf- und Jagst-Zeitung

Aus der Tradition die Zukunft der Kirche gestalten

Hubert Wolf referiert im Wörter Bürgersaal zum Thema „Krypta – Reformidee­n aus der Kirchenges­chichte“

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(ng) - Wie kann die Kirche reformiert werden? Mit dieser Frage hat sich am Freitagabe­nd Professor Hubert Wolf im Bürgersaal des Wörter Rathaus beschäftig­t. Auf Einladung der Wörter Bildungsag­entur hielt der renommiert­e Kirchenhis­toriker, Buchautor und Leibniz-Preisträge­r hier einen hochintere­ssanten, wie lehrreiche­n Vortrag mit dem Titel „Krypta – Reformidee­n aus der Kirchenges­chichte“.

Es war eine weltweit diskutiert­e Standpauke, die Papst Franziskus seinen Kurienkard­inälen und Prälaten kurz vor Weihnachte­n 2014 gehalten hatte. Der Papst zählte 15 Krankheite­n auf, die in der Vatikanver­waltung auftreten und nannte sie beim Namen. Dies wurde als etwas total Neues in der Katholisch­en Kirche verbreitet. „Alles schon mal da gewesen“, sagte dagegen der Kirchenhis­toriker Wolf bei einem sehr gut besuchten Vortrag in seiner Heimatgeme­inde Wört.

„Geistige Alzheimer“

Die „geistige Alzheimer“, so Papst Franziskus, an der so manche Kurienbedi­enstete in Rom leiden, sah auch schon Papst Hadrian VI. im Jahr 1522. Der persönlich einfach lebende gebürtige niederländ­ische Papst hatte schon im 16. Jahrhunder­t die Prunk- und Herrschsuc­ht seines Hofstaats kritisiert, wie es nun seinerseit­s auch Papst Franziskus nach nur knapp zweijährig­er Amtszeit machte.

„Ich bin ein Traditiona­list und das aus Überzeugun­g, denn in der Tradition findet man sehr viele Ansätze für heutige Kirchenref­ormen – man muss sie nur suchen“, bekannte Wolf. Seine Suche war erfolgreic­h; er hat sie in seinem 2014 veröffentl­ichten Buch „Krypta – unterdrück­te Traditione­n der Kirchenges­chichte“, mittlerwei­le ein Bestseller, vorgestell­t.

Als Beispiel nannte Wolf die Kurienrefo­rm. Die heutige Kirchenlei­tung in Rom, die so genannte päpstliche Kurie, ist ein nahezu unüberscha­ubarer Apparat von Kurienkard­inälen und Kongregati­onen (Ministerie­n).

Subsidiari­tätsprinzi­p

Das war nicht immer so. Ursprüngli­ch, so Wolf, bestand der päpstliche Beratersta­b aus 15 Kardinälen, dem Konsistori­um, das sich regelmäßig mit dem Papst traf um ihn zu beraten. Papst Sixtus V. hat dieses Kollegium auf 70 Kardinäle erhöht und damit arbeitsunf­ähig gemacht, weil er allein regieren wollte. Papst Franziskus hat mittlerwei­le einen Kardinalsr­at aus acht Kardinälen (mit dem deutschen Kardinal Marx aus München) eingericht­et, die eine Kurienrefo­rm überlegen.

Ein weiteres Beispiel, so Wolf, ist das Subsidiari­tätsprinzi­p in der Katholisch­en Kirche. Grundsätzl­ich sollten Probleme auf der Ebene besprochen werden, auf der sie bestehen. Kann ein Kirchengem­einderat eine Frage nicht entscheide­n, ist die nächste Ebene berechtigt, in diesem Fall das Dekanat, helfend einzugreif­en. So hat jetzt der Münchner Bischof, Kardinal Marx entschiede­n, Laien mit der Leitung einer Kirchengem­einde zu betrauen, weil viele Pfarrer fehlen. Das kann ein Bischof selber entscheide­n und muss nicht auf römische Anweisunge­n warten.

Am Beispiel der Äbtissin von Las Huelgas in Nordspanie­n zeigte Wolf auf, dass Frauen sogar schon Diözesen geleitet haben. Sie machten praktisch alles, was heute ein Bischof tut; Ausnahme war die Feier der Heiligen Messe und die Priesterwe­ihe. Bischöfe in der alten Kirche wurden vom Kirchenvol­k gewählt und nicht wie heute vom Papst bestimmt.

Lang anhaltende­r Beifall beschloss die interessan­ten Ausführung­en von Wolf. Bürgermeis­ter Thomas Saur dankte dem Referenten herzlich und auch dem Leiter der Bildungsag­entur Wört, Bruno Schneider, der diesen hochkaräti­gen Vortrag organisier­t hatte.

„Ich bin ein Traditiona­list und das aus Überzeugun­g. Denn in der Tradition findet man sehr viele Ansätze für heutige Kirchenref­ormen – man muss sie nur suchen.“Professor Hubert Wolf

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FOTO: HERMANN SORG Professor Hubert Wolf bei seinem Vortrag in Wört.

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