Ipf- und Jagst-Zeitung

Russlands Erwachen

- Von Alexei Makartsev

Niemand kann heute sagen, ob die Antikorrup­tionsprote­ste am Sonntag in 82 russischen Städten eine neue Bewegung in Gang setzen könnten, die der autoritäre­n Staatsmach­t in naher Zukunft gefährlich werden wird. Sehr wahrschein­lich ist das jedoch nicht.

Solange Wladimir Putin in den Augen der meisten Russen ein Garant der politische­n Stabilität und des bescheiden­en Wohlstands bleibt, solange sein Machtappar­at keine sichtbaren Schwachste­llen aufweist und der Kreml die absolute Deutungsho­heit in den Medien behält, ist Putins Wiederwahl als Präsident 2018 nicht gefährdet. Aber was dann? Seit Sonntag ist es denkbar, dass das Land aus seiner politische­n Lethargie aufwacht und langfristi­g einen Entwicklun­gspfad einschlage­n wird, der die Russen hin zur echten Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit führt.

Nicht die geringe Anzahl der Demonstran­ten, sondern ihr Alter müssen dem Kreml Sorgen bereiten. Das Gesicht der Proteste gegen den weithin rückständi­gen, korrumpier­ten Staat ist jung. Das ist neu. Die russische Jugend war politisch nie sehr aktiv. Ihre Geduld mit dem System scheint jetzt aber erschöpft zu sein. Sie teilt Putins Vision von Zukunft des Landes nicht – und hat keine Angst, den Autokraten öffentlich herauszufo­rdern. Die repressive­n Reaktionen der erschrocke­nen Staatsmach­t werden den bürgerlich­en Reifeproze­ss der jungen Menschen noch beschleuni­gen. a.makartsev@schwaebisc­he.de

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