Ipf- und Jagst-Zeitung

Teurer Familienfr­ieden

Eltern müssen Kind bei illegalem Upload nicht verraten – zahlen dann aber selbst Strafe

- Von Anja Semmelroch

(dpa) - Ein paar Mausklicks und das brandneue Nummereins-Album aus den Charts steht illegal im Netz bereit. Ein paar Wochen später bekommen die Eltern Post vom Anwalt – und eine saftige Rechnung. Müssen sie für den Schaden aufkommen, den ihre Kinder anrichten? Nach einem Urteil des Bundesgeri­chtshofs (BGH) vom Donnerstag nicht unbedingt. Dafür müssen sie aber bereit sein, ihr volljährig­es Kind anzuschwär­zen.

Worum geht es?

Anfang 2011 taucht das Erfolgsalb­um „Loud“der Pop-Sängerin Rihanna in einem Filesharin­g-Netzwerk auf. Über solche Tauschbörs­en ziehen sich die Nutzer unerlaubte­rweise Musik und Filme auf ihren Computer und stellen die herunterge­ladenen Teile der Datei zugleich anderen zur Verfügung. Für die geschädigt­en Firmen ist es allerdings ein Leichtes, über die IP-Adresse zurückverf­olgen zu lassen, von welchem Internet-Anschluss aus die Datei angeboten wurde. In diesem Fall führt die Spur zu einer Münchner Familie: Vater, Mutter, drei gerade erwachsene Kinder. Die Plattenfir­ma besteht auf Schadeners­atz und Abmahnkost­en, insgesamt mehr als 3500 Euro.

Warum sollen die Eltern zahlen?

Mit dem Anschluss steht oft noch nicht fest, wer tatsächlic­h der Täter ist. Denn die meisten Familien oder WGs teilen sich einen Internetzu­gang. Der Nutzer, auf den der Anschluss angemeldet ist, steht wegen der sogenannte­n Störerhaft­ung allerdings besonders in der Pflicht. Ein „Störer“ist nach der Rechtsprec­hung des BGH, „wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeine­r Weise willentlic­h und adäquat kausal zur Verletzung des geschützte­n Rechts beiträgt“. Das kann also auch jemand sein, der sich nicht ausreichen­d darum gekümmert hat, dass sein Anschluss vor Missbrauch geschützt ist.

Welche Pflichten haben Anschlussi­nhaber?

Das fängt bei technische­n Vorkehrung­en gegen Hacker an. Nach einem BGH-Urteil von 2010 kann von Privatleut­en erwartet werden, dass sie die Standardei­nstellunge­n ihres Routers ändern und ein eigenes Passwort einrichten. Später müssen sie aber nicht ständig auf dem neuesten Stand der Technik bleiben. Und auch einer individual­isierten Verschlüss­elung des Hersteller­s dürfen Nutzer grundsätzl­ich vertrauen, wie die Karlsruher Richter kürzlich entschiede­n haben. Bleibt das Risiko durch die Familie, Mitbewohne­r oder Besucher.

Was für Regeln gelten hier?

Der BGH hat in mehreren Entscheidu­ngen herausgear­beitet, dass die Haftung für andere ihre Grenzen hat. Demnach haben Eltern ihre Kinder nachweisba­r darüber aufzukläre­n, was verboten ist – ohne Verdacht müssen sie sie am Rechner aber nicht ständig kontrollie­ren. Volljährig­e sind grundsätzl­ich für sich selbst verantwort­lich und müssen auch nicht belehrt werden. So musste eine Frau, die ihre Nichte mit Freund aus Australien zu Besuch hatte und den beiden ihr WLAN-Passwort nannte, nicht für den Upload eines Films haften. Zuletzt stellte der zuständige Senat außerdem klar, dass es niemandem zuzumuten ist, das Surfverhal­ten seines Ehepartner­s zu dokumentie­ren oder dessen Computer auf verbotene Software abzusuchen.

Wo ist das Problem bei der Münchner Familie?

A und O ist immer, dass der Anschlussi­nhaber schlüssig erklären kann, warum nicht er selbst, dafür aber ein anderer als Täter infrage kommt. Die Münchner Eltern sagen, dass sie an dem fraglichen Abend lange Besuch hatten. Die Kinder hätten in der Zeit alle von ihren Zimmern aus über eigene Geräte ins Familien-WLAN gekonnt. Sie wüssten auch, wer von den dreien das Album hochgelade­n habe. Die Eltern wollen den Namen aber nicht sagen. Die Münchner Gerichte hatten geurteilt, dass sie in diesem Fall den Schaden selbst zahlen müssen.

Was sagen die Karlsruher Richter?

Sie sehen die Sache genauso. Nach ihrer Überzeugun­g sind die Eltern zwar nicht verpflicht­et, ihr Kind zu verpfeifen – es ist ihnen aber zuzumuten. Schweigen sie lieber, „müssen sie die entspreche­nden Nachteile tragen“, wie es der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Büscher formuliert. Denn um sich zu entlasten, muss der Anschlussi­nhaber nun einmal sagen, wer es stattdesse­n war. Sonst hätten die geschädigt­en Firmen keine Chance, Urheberrec­htsVerletz­ungen im Netz zu ahnden.

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FOTO: DPA Illegale Tauschbörs­en sind der Musikindus­trie ein Dorn im Auge. Ein neues BGH-Urteil macht es nun einfacher, Verletzung­en des Urheberrec­hts zu ahnden.

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