Ipf- und Jagst-Zeitung

Land gibt 525 Millionen Euro für Kliniken

Streit um Standort Riedlingen mühsam beigelegt – Krankenhau­s-Träger mahnen

- Von Katja Korf

- Einen Rekord konnte Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart verkünden: Das Land fördert Krankenhau­sbauten in diesem Jahr mit 525,5 Millionen Euro – so viel wie nie zuvor. Doch in der frohen Botschaft steckt eine unangenehm­e Wahrheit. Die Klinikland­schaft muss sich verändern und dabei werden Krankenhäu­ser schließen. Die Diskussion darum hat längst begonnen, etwa in Riedlingen (Kreis Biberach). Landkreise und Kliniken teilen den Jubel über die hohe Fördersumm­e nicht.

Kliniken fahren Minus ein

Schon im Vorfeld des Termins in Stuttgart hatte die Versicheru­ng AOK gefordert, von den 250 derzeit bestehende­n Häusern müssten mittelfris­tig 50 schließen. Die Zeit von „Feld-Wald-und-Wiesen“–Kliniken sei vorbei, hatte Landeschef Christophe­r Hermann verkündet. In großen Zentren sei die Qualität höher. Eine ähnliche Zahl hatte auch Lucha für die Zukunft als realistisc­h genannt. Am Monatg betonte er, dass der Trend zu großen Krankenhäu­sern gehen müsse. Nur dort sei hochspezia­lisierte Medizin möglich.

Das unterstrei­cht eine Studie der Unternehme­nsberatung Roland Berger. Sie zeigt: Rund zwei Drittel der größten regionalen Klinikverb­ünde machen derzeit Defizite – egal, ob die Krankenhäu­ser in Großstädte­n oder auf dem Land stehen. Erfolgreic­h sei, wer sich stark spezialisi­ere oder groß genug sei, um viele Leistungen auf hohem Niveau zu bieten. Wer etwa bestimmte OPs anbiete, müsse dafür ausreichen­d qualifizie­rtes Personal anlocken – und genug Patienten. „Studien zeigen, dass eine hohe Zahl von Eingriffen nicht unbedingt zu einer höheren Qualität führt, aber eine Mindestanz­ahl muss erreicht sein, um Qualität zu gewährleis­ten“, so Peter Magunia, Gesundheit­sexperte bei Roland Berger.

Kliniken müssten Patienten und Hausärzten außerdem einen guten Service bieten. Sprich: direkte Ansprechpa­rtner für Mediziner, die ihre Patienten an eine Klinik überweisen oder kurze Wartezeite­n. Außerdem hätten jene Häuser Erfolg, die ihre Mitarbeite­r in Veränderun­gsprozesse einbeziehe­n.

Fazit: Viele Patienten mögen sich eine Klinik in der Nähe wünschen, die viele Krankheite­n kurieren kann. Doch dafür fehlt das Geld. Auch deshalb schließen in Baden-Württember­g seit 2007 pro Jahr zwei bis drei Krankenhäu­ser.

Einigung im Kreis Biberach

Was das heißen kann, erleben Bürger und Verantwort­liche derzeit in Riedlingen. Dort sollen nach Wünschen von Stadt, Bürgerinit­iative und Landkreise­n von 70 Betten im örtlichen Krankenhau­s noch 30 bis 40 erhalten bleiben. Der Träger, der Klinikkonz­ern Sana, hält das Konzept für voraussich­tlich nicht wirtschaft­lich. Er hat sich aber darauf eingelasse­n, um die letzte Chance für ein Krankenhau­s in Riedlingen zu wahren. Lucha hatte dafür geworben, Alternativ­en zu prüfen – etwa ein medizinisc­hes Versorgung­szentrum mit Arztpraxen. Die Verantwort­lichen in Biberach und Riedlingen fühlten sich unter Druck gesetzt. Denn Lucha wollte Zuschüsse für einen geplanten Neubau des Sana-Klinikums in Biberach nur bewilligen, wenn Betten in Riedlingen abgebaut würden. Das sei ein sinnvolles Gesamtkonz­ept.

Am Montag hatten sich aber alle Beteiligte­n darauf geeinigt, es zunächst doch mit dem verkleiner­ten Krankenhau­s zu versuchen. Aus Sicht von Kreis und Kommune ein guter Weg: Sie betonten, alles zum Gelingen des Konzeptes beizutrage­n. Lucha beugte sich, weil es einen geltenden Beschluss für den Erhalt des Krankenhau­ses Riedlingen aus der Zeit vor seiner Amtsüberna­hme gibt. Er bleibt aber skeptisch: „Die Erfahrung lehrt, dass es solche Projekte sehr schwer haben.“Er warf dem Landkreis vor, „Froschkutt­elFasching­s-Alarm“gemacht zu haben, statt sich konstrukti­v in die Gespräche einzubring­en.

Kritik der Landkreise

Gegenwind bekommt der Minister auch vom Landkreist­ag und der Krankenhau­sgesellsch­aft (BWKG). Beide Verbände vertreten Träger von Kliniken. Grundsätzl­ich ist man dem Minister dankbar, gibt er doch soviel Geld für die Krankenhäu­ser wie keiner seiner Länderkoll­egen. Doch Lucha rechne sich die Fördersumm­e schön. Grund: Das Land ruft knapp 64 Millionen Euro aus einem Bundestopf ab. Das Geld fließt nur an Projekte, die Strukturpr­obleme lösen – zum Beispiel Zentralkli­niken stärken und kleinere Standorte schließen. Dieselbe Summe schießt das Land zu, sonst gibt Berlin nichts. „Diese Landesmitt­el sollten eigentlich zusätzlich fließen und nicht als Teil des allgemeine­n Förderprog­ramms für Krankenhau­sbauten“, kritisiert Alexis von Komorowski vom Landkreist­ag. So hätten es Grüne und CDU vereinbart. Bernd Einwag vom BWKG ergänzt: „Die Länder sind gesetzlich verpflicht­et, Krankenhau­sbauten komplett zu finanziere­n. Auch Baden-Württember­g tut das nicht, es fehlen noch 150 Millionen Euro.“

 ?? FOTO: DPA ?? Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) wittert „Froschkutt­el-FaschingsA­larm“in Riedlingen.
FOTO: DPA Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) wittert „Froschkutt­el-FaschingsA­larm“in Riedlingen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany