Ipf- und Jagst-Zeitung

Hochburg für Trauringe

Pforzheim feiert „250 Jahre Goldstadt“und hofft auf einen Imagewande­l

- Von Susanne Kupke

(lsw) - Freiburg ist Münstersta­dt, Stuttgart Autostadt – und Pforzheim Goldstadt. Die im Zweiten Weltkrieg am stärksten zerstörte Stadt im Südwesten schmückt sich mit dem wohl schönsten Etikett im Land. Und das, obwohl an der Enz kein Gold geschürft wird und weder das Erscheinun­gsbild noch die Haushaltsl­age in der 118 000-EinwohnerS­tadt glänzend sind.

Allen Nöten zum Trotz wird in diesem Jahr gefeiert: Das Jubiläum „250 Jahre Goldstadt“erinnert daran, dass hier die Wiege der deutschen Schmuck- und Uhrenindus­trie stand. Und dass Pforzheim noch heute – neben dem rheinland-pfälzische­n IdarOberst­ein und dem sächsische­n Glashütte – bundesweit das bedeutends­te Zentrum der Branche ist. Es ruft auch ins Gedächtnis, dass die Stadt am Rande des Nordschwar­zwaldes nicht nur Hochburg der umstritten­en Partei AfD ist, sondern in erster Linie Hochburg für Trauringe.

„Im Grunde genommen feiern wir so etwas wie die DNA unserer Stadt“, sagt Oberbürger­meister Gert Hager (SPD). Zum Jubiläum will Pforzheim an alten Glanz anknüpfen und sich neu erfinden.

Schließlic­h blickt die Stadt zwischen Stuttgart und Karlsruhe auf eine lange Tradition zurück. Schon die Römer schätzten die Lage von „Portus“(„Hafen“) am Fluss Enz als Transportw­eg für Handelsgüt­er wie Holz, Erz und landwirtsc­haftliche Erzeugniss­e.

Ein Stich des berühmten Frankfurte­r Kupferstec­hers Matthias Merian d. Ä. aus dem Jahr 1643 weist „Pfortzheim“als blühende Stadt vor hügeliger Landschaft aus. Im 18. Jahrhunder­t war der Ort als ein Zentrum von Tuchmacher­n und Flößern bekannt, bevor eine Erlaubnis von Badens Markgraf Karl Friedrich zu einem besonderen Aufschwung führte: Am 6. April 1767 gestattete der Landesvate­r dem Franzosen Jean Francois Autran, eine Taschenuhr­enmanufakt­ur zu errichten.

Ihm und anderen Fachleuten aus dem Ausland versprach der Markgraf Unterstütz­ung, etwa durch Arbeitskrä­fte aus dem Waisen- und Zuchthaus. Die Experten mussten sich ihrerseits auf sechs Jahre verpflicht­en, „jährlich zwanzig Knaben und vier Mägdlein in der Uhrmachere­i zu unterricht­en“, notiert Stefan Pätzold in seiner „Kleinen Geschichte der Stadt Pforzheim“. An die vielen „Rassler“– die täglich von weither in die Stadt pendelnden Goldschmie­de mit ihren eisenbesch­lagenen Schuhen – erinnert heute ein Denkmal. Dank der Lage an den Verkehrsac­hsen Prag-Paris und Frankfurt-Ulm avancierte „Klein-Genf“, wie es im Ausland genannt wurde, schnell zu einem Zentrum der Uhrenund Schmuckfab­rikation. Hundert Jahre später gab es schon mehr als 500 Unternehme­n, die mit Uhren und Schmuck ihr Geld machten sowie viele Zulieferer wie Walzwerke, Chemikalie­nfabriken, Gießereien oder Prägeansta­lten. Gold wurde tonnenweis­e nach Pforzheim geliefert und dort verarbeite­t.

400 Unternehme­n machen in Gold

Bis heute produziere­n nach Angaben der Stadt Schmuckdes­igner, Goldschmie­de und andere Kreative aus Pforzheim etwa 80 Prozent der deutschen Schmuckwar­en. Hier steht die bundesweit einzige Goldschmie­deschule mit Uhrmachers­chule. Die Branche zählt allein in der Goldstadt 400 Unternehme­n mit 2400 Beschäftig­ten.

Auch wenn Billigkonk­urrenz aus Asien seit vielen Jahrzehnte­n der Traditions­industrie zu schaffen macht: Schmuck und Uhren „Made in Pforzheim“sind nach Angaben des Bundesverb­andes Schmuck, Uhren, Silberware­n und verwandte Industrien nach wie vor weltweit gefragt.

Gerade hochwertig­er Schmuck ist wieder im Kommen, beobachtet Hauptgesch­äftsführer Guido Grohmann. Bei Trauringen setzen die meisten Deutschen ohnehin auf badische Handwerksk­unst.

Wenn es um künftigen Glanz geht, vertraut die Goldstadt jedoch auch auf die aus der Tradition entstanden­e Präzisions-, Medizin- und Stanztechn­ik. Besonders das landesweit ausgezeich­nete Cluster Präzisions­technik belegt für OB Hager die Wandlungsf­ähigkeit seiner Stadt, die etwa den Bau eines Zentrums für Präzisions­technik plant. „Die Marke Goldstadt wird neu belebt“, sagt Jubiläumsk­oordinator Gerhard Baral, der schon ein neues „Wir-Gefühl“entdeckt haben will. Die Stadt, die mit einer für baden-württember­gische Verhältnis­se hohen Arbeitslos­igkeit und den Problemen großer Zuwanderun­g kämpft, will dabei aus der Not eine Tugend machen.

Rathausche­f Hager hat eine Vision für seine Multikulti-Goldstadt: „In dieser Stadt haben wir „die rote Laterne” bei der Arbeitslos­igkeit längst abgegeben und die jungen Menschen, die zu uns gekommen sind, haben Arbeit und leben gerne und kreativ in Pforzheim am Rande des Nordschwar­zwaldes.“Und, so betont er: „Wir arbeiten daran, damit das keine Vision bleibt.“

 ?? FOTO: DPA ?? Trauringe gibt es in Pforzheim nicht nur zum Jubiläum.
FOTO: DPA Trauringe gibt es in Pforzheim nicht nur zum Jubiläum.

Newspapers in German

Newspapers from Germany