Türkei verweigert weitere Zusagen
Deutsch-türkischer Journalist Deniz Yücel erhält erstmals konsularische Betreuung
- Als Georg Birgelen, deutscher Generalkonsul in Istanbul, am Dienstag den inhaftierten deutschtürkischen Journalisten Deniz Yücel in der Haftanstalt von Silivri außerhalb von Istanbul besuchte, traf er auf einen Mann, der sich verändert hat. Yücel, auf Fotos häufig unrasiert, mit wildem Haar und Zigarette im Mund abgebildet, habe sich die Haare stutzen lassen, berichtete Yücels Schwester Ilkay dem Arbeitgeber ihres Bruders, der „Welt“. Im Wesentlichen unverändert ist dagegen die Haltung des türkischen Staates: Ankara lehnt nach Birgelens Besuch offenbar weitere Zusagen zugunsten von Yücel ab.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sagte, Birgelen sei zwei Stunden bei Yücel gewesen. Gabriel nannte die Situation des 43-jährigen „nicht einfach. Umso wichtiger ist, dass Deniz Yücel weiß, dass wir uns nach wie vor mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass er freikommt“, sagte er. Yücel gehe es gut, wenn ihm auch die Einzelhaft in Silivri zu schaffen mache, ergänzte Außenamts-Staatsminister Michael Roth. Man müsse im Gespräch mit der Türkei „sicherstellen, dass die konsularische Betreuung verstetigt wird“, sagte Gabriel. In diesem Punkt schweigt die türkische Seite.
Damit Birgelen überhaupt als erster deutscher Diplomat zu Yücel durfte, war trotz entsprechender Versicherungen aus Ankara ein diplomatischer Kraftakt der deutschen Seite nötig. Roth verbrachte das Wochenende bei Gesprächen in der türkischen Hauptstadt, wo er unter anderem mit Ibrahim Kalin, Sprecher und Berater von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, zusammenkam.
Der Fall des Journalisten sei offensichtlich zum „Spielball von innenpolitischen Entwicklungen“in der Türkei geworden, sagte Roth. Deutsche Diplomaten rechnen nicht damit, dass sich für Yücel vor dem türkischen Verfassungsreferendum am 16. April noch viel verbessern lässt: Erdogan nennt den deutsch-türkischen Reporter in seinen Wahlkampfreden einen „Agenten“.
Ein offenbar frustrierter Roth kommentierte dies und die Nazi-Vergleiche des türkischen Präsidenten mit der Forderung, man müsse in Ankara „dringend rhetorisch abrüsten“. Erdogan hatte die Europäer am Wochenende erneut als Nazis und antimuslimische „Kreuzzügler“beschimpft. Die rhetorischen Ausfälle des Präsidenten sorgen nach Einschätzung des Erdogan-kritischen Journalisten Ahmet Nesin auch in der Regierungspartei AKP für Sorgen. Inzwischen werde innerhalb der AKP sogar an eine Partei-Neugründung gedacht, weil Erdogan „nicht zu bremsen“sei, schrieb Nesin in einem Beitrag für die Internet-Plattform „Artigercek“.
Yücel ist einer von mehr als 150 Journalisten, die in der Türkei im Gefängnis sitzen. In einem anstehenden Prozess gegen 20 Schreiber und Redakteure der Oppositionszeitung „Cumhuriyet“fordert die Staatsanwaltschaft in einer Anklageschrift teilweise bis zu 43 Jahren Haft wegen Unterstützung terroristischer Organisationen.