Eine Oper – brandaktuell und passend zur Zeit
Das Studio der Bayerischen Staatsoper präsentiert Menottis „The Consul“
- Die Oper „The Consul“von Giancarlo Menotti wurde 1950 uraufgeführt. Doch nach einem kurzen Siegeszug geriet das Werk in Vergessenheit. Entstanden unter dem Eindruck der Flüchtlinge, die im Zweiten Weltkrieg Zuflucht in den USA gesucht haben, erzählt „The Consul“von dem vergeblichen Kampf der Magda Sorell als Frau eines politisch Verfolgten Asyl zu bekommen. Nun hat das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper diese Oper wiederbelebt – mit Erfolg. Denn das Werk erweist sich als brandaktuell.
„Musik ist die letzte Bastion der Deutschen in ihrem Herrenrassenanspruch, und in München wurde sie zum ersten Mal erschüttert“, schrieb der Dirigent Leonard Bernstein seiner Vertrauten Helen Coates nach seinem ersten Konzert in Deutschland (Mai 1948). Nur drei Jahre später trat gar eine Musiktragödie die Reise über den Atlantik an, von West nach Ost, und erwies sich als Exportschlager des vordem als Opern-Diaspora arrogant mitleidig belächelten Amerikas.
Ein Aufschrei der Gequälten
Giancarlo Menottis „The Consul“traf den Nerv der Zeit: das Sehnen der Geknechteten nach Freiheit, den Aufschrei der Gequälten, die nur noch Nummern sind in einer seelenlosen Maschinerie der Bürokratie. Sein politisches Musiktheater prangerte den Moloch Staat an, der registriert, tyrannisiert, das Individuum zermalmt im Räderwerk der Paragrafen. Magda Sorel geht zu Grunde, weil sie im Labyrinth der Vorschriften scheitert, das Einreisevisum vom Konsul jenes Staates zu erhalten, in den ihr Mann, Widerstandskämpfer gegen die Diktatur seiner Heimat, geflohen ist.
Schon das amerikanische Publikum war betroffen, versperrte doch ein jüngst erlassenes Gesetz, der „McCarron Act“, Ausländern mit eventuell unerwünschten Ambitionen die Einreise. Und wer in Europa hätte sich nach den Erfahrungen unter der faschistischen Schreckensherrschaft nicht angesprochen gefühlt? Die Oper wurde in zwölf Sprachen übersetzt, weltweit nachgespielt, am häufigsten in Europa. Ein damals brisanter Gegenwartsstoff – es sei nur an die Emigrantenschiffe St. Louis und Exodus 1939 und 1947 erinnert.
Menotti hat aus seinem Libretto,, für das er den Pulitzer-Preis erhielt, ein fesselndes Musikdrama geschaffen, er hat echtes Theaterblut, vitale Musikalität, Sinn für den dramatischen Ablauf, die lyrischen Augenblicke der Besinnung wie der gesteigerten Emotionen. Er komponiert auf tonaler Basis und hat Fantasie und Mut zu großer Melodik. Er verleugnet nicht seine Affinität zur veristischen Oper italienischer Prägung („Ersatz-Puccini“schmähte ihn Strawinsky), aber setzt auch Errungenschaften der Avantgarde seiner Zeit ein: Strawinsky-Prokofjew-Rhythmik bei den Polizeiauftritten, krasse Dissonanzen für Bedrohliches.
Der leuchtenden Schönheit seiner herzanrührenden Emotion erliegt auch das Publikum des Jahres 2017 und feiert nach den glühenden Passagen der verzweifelten Sorel ihre gefühlsintensive Mittlerin Selene Zanetti: Ihre Sonnenhöhen verheißen eine Strauss-Interpretin von morgen. Auch über das vokale Niveau der weiteren neun Mitwirkenden des Opernstudios kann man nur staunen und dem jungen Ensemble gratulieren.
Klare Räume fern von Mätzchen
An dem außergewöhnlichen Erfolg der Aufführung sind auch die Szeniker maßgeblich beteiligt. Nach den jüngsten Ausstattungsorgien im Nationaltheater lernt man, wie Christian Anfred Tabakoff mit kargen Mitteln klare Räume schafft, in denen Christiane Lutz fern aller Mätzchen, ohne Selbstverwirklichungsgelüste auf Kosten des Werkes, die Geschichte stringent erzählt.
Das Münchner Kammerorchester ist ein exquisites Ensemble. Im Cuvilliéstheater jedoch klang die opulente Partitur nicht so, wie sie es verdient hätte. Menottis Musik heischt einen größeren Raum und eine Streicherbesetzung wie für den mittleren Verdi. So kam vieles zu laut, zu blechlastig. Und der temperamentvolle Dirigent Geoffrey Paterson schien das Forte-Angebot der Partitur gern anzunehmen. „The Consul“jedenfalls ist brandaktuell.