Angebliche Kokainparty: 23-Jähriger wird freigesprochen
Das Ellwanger Schöffengericht würdigt die widersprüchliche Beweislage – Verfahren gegen einen Zeugen
(sj) – Mit einem Freispruch ist am Dienstag ein Rauschgiftverfahren vor dem Ellwanger Amtsgericht zu Ende gegangen. Das Schöffengericht konnte einem 23jährigen Mann aus Bopfingen nach Abschluss der Beweisaufnahme nicht nachweisen, dass er auf eine Weihnachtsparty an Heiligabend 2014 in einer Bopfinger Wohnung fünf Gramm Kokain mitgebracht hat.
Amtsgerichtsdirektor Norbert Strecker sprach in der Urteilsbegründung mit Blick auf die Beweisaufnahme von einem „Trauerspiel“. Ein 21jähriger Koch hatte den Angeklagten in seiner Zeugenaussage am 18. Juni 2015 vor der Bopfinger Polizei schwer belastet. Vor Gericht hingegen räumte der Zeuge ein, die ganze Geschichte erfunden zu haben. Damals sei er auf den Angeklagten sauer gewesen und habe ihm deshalb „eine reinwürgen“wollen, gab er als Grund an.
Gar in Tränen brach eine 23-jährige Zeugin aus, die zum Gerichtstermin mit ihrem Baby gekommen war. „Ich kann mich nicht mehr erinnern“, sagte sie vor Gericht, und: „Ich würde niemals lügen, ich habe ein kleines Kind hier.“Vor der Polizei in Nördlingen hatte auch sie den Angeklagten einer Rauschgifttat bezichtigt. „Entweder lügen Sie heute oder haben Sie damals gelogen“, hielt Amtsgerichtsdirektor Strecker ihr vor und fragte: „Wer kümmert sich um das Kind, wenn Sie im Knast sind?“Vor der Polizei habe sie die Wahrheit gesagt, meinte sie. Damals sprach sie von weißem Pulver, das bei dieser Weihnachtsparty 2014 vom Angeklagten auf den Tisch gelegt worden sei.
„Diese Situation reicht nicht, um eine Verurteilung zu bewirken“, sagte Norbert Strecker in der Urteilsbegründung: „Man braucht Beweise, die dem standhalten. Diese Zeugenaussagen sind nicht geeignet. Deshalb mussten Sie aus unserer Sicht freigesprochen werden.“
Erster Staatsanwalt Jürgen Herrmann hatte gegen den wegen Erpressung und Körperverletzung vorbestraften Angeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten gefordert. Er vermutete ein Komplott zum Vorteil des Angeklagten. Der Staatsanwalt will gegen den 21-jährigen Zeugen ein Ermittlungsverfahren wegen falscher Verdächtigung oder uneidlicher Falschaussage einleiten. Der Koch war am ersten Verhandlungstag (wir berichteten) nicht erschienen, sodass gegen ihn ein Ordnungsgeld von 150 Euro (ersatzweise drei Tage Ordnungshaft) verhängt und die polizeiliche Vorführung angeordnet worden war.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Felix Dimpfl aus Augsburg, plädierte auf Freispruch. Er meinte, dass aufgrund dieser „merkwürdigen Aussagen“für eine Verurteilung seines Mandanten „schlicht und einfach nichts mehr übrig bleibt“. Zudem hatte der Verteidiger Zweifel hinsichtlich der polizeilichen Protokollierung der Zeugenaussagen: „Man staunt manchmal, wie was in Protokolle reinkommt.“