Ipf- und Jagst-Zeitung

Polizei erfasst minderjähr­ige Ausländer auf der Ostalb

Bisher nur Asylbewerb­er registrier­t: Lücken in Kooperatio­n mit Landratsam­t und Landeskrim­inalamt geschlosse­n

- Von Jasmin Amend

- Als erstes Präsidium in Baden-Württember­g erfasst das Polizeiprä­sidium Aalen derzeit alle unbegleite­ten minderjähr­igen Ausländer. Nach dem landesweit­en Start vergangene Woche in Waiblingen hat am Dienstag der Standort Aalen für den Ostalbkrei­s nachgezoge­n. Schwäbisch Hall folgt am Donnerstag.

Im Zuständigk­eitsbereic­h des Landratsam­ts Ostalbkrei­s leben zurzeit 201 unbegleite­te minderjähr­ige Ausländer (UMAs), die von der Jugendhilf­e betreut werden. 33 von ihnen wurden nun im Polizeiprä­sidium „erkennungs­dienstlich nacherfass­t“. Zu Beginn der Flüchtling­skrise kamen vor allem junge Syrer auf die Ostalb, gefolgt von Afghanen und Irakern. „Seitdem die Balkanrout­e geschlosse­n ist, kommen vor allem UMAs aus Zentralafr­ika zu uns“, sagt Roland Schlipf, stellvertr­etender Jugendamts­leiter im Landratsam­t.

Anders als ältere Asylbewerb­er wurden die UMAs bisher bei der Einreise nicht automatisc­h erkennungs­dienstlich behandelt, also mit Name, Geburtsdat­um, Staatsange­hörigkeit, Wohnanschr­ift, Fotos, Fingerabdr­ücken und Körpergröß­e registrier­t. Denn: „Viele stellen keinen Asylantrag, weil Jugendlich­e unter einem besonderen Schutz stehen und deshalb trotzdem ein Bleiberech­t bekommen“, erklärt Polizeihau­ptkommissa­r Ronald Krötz. Sie werden bis zur Volljährig­keit in Deutschlan­d geduldet. Im Ostalbkrei­s kommen UMAs zunächst im Josefstal bei den Comboni-Missionare­n unter, bevor sie dann in Gastfamili­en oder Wohngruppe­n weiterverm­ittelt werden.

Landesweit Lücken schließen

Auf Veranlassu­ng der Landesregi­erung schließen nun Ausländerb­ehörden in ganz Baden-Württember­g Lücken bei den erkennungs­dienstlich­en Daten der Jugendlich­en. Dass es so lange gedauert hat, habe daran gelegen, dass die Behörden überlastet gewesen seien, sagt der Leitende Polizeidir­ektor Peter Hönle. „Jetzt, wo es kontinuier­licher läuft, arbeiten wir die Halde ab.“Im Ostalbkrei­s gibt es vier Ausländerb­ehörden: die Großen Kreisstädt­e Aalen, Ellwangen und Schwäbisch Gmünd sowie das Landratsam­t für alle übrigen Kommunen.

Das Polizeiprä­sidium agiert hier, wie es Hönle, ausdrückt, „als verlängert­er Arm der Behörde“. Das heißt, sie nimmt die Daten auf und speichert sie beim Bundeskrim­inalamt. „Dort werden sie deshalb hinterlegt, weil dort die Infrastruk­tur bereits vorhanden war“, erklärt Jürgen Glodek, Erster Kriminalha­uptkommiss­ar beim Landeskrim­inalamt (LKA). Man behandle diese aber völlig getrennt von den polizeilic­hen Daten. Das LKA stellt die Technik zur Verfügung und begleitete die gesamte konzeption­elle Vorbereitu­ngsphase.

Glodek betont, wie wichtig es sei, dass kein UMA unnötig doppelt registrier­t werde. Um das zu vermeiden, gleichen die Mitarbeite­r zunächst die Fingerabdr­ücke des Jugendlich­en mit den bestehende­n Akten der Ausländerb­ehörden ab.

Nicht immer stimmen die bisher erfassten Daten mit den neuen Informatio­nen überein. „Bei vielen stimmt die Schreibwei­se des Namens nicht“, sagt Glodek. Grund dafür sei aber in der Regel ein Fehler beim Übersetzen. In kriminelle­r Absicht geschehe das meistens nicht. „Wenn wir aber dennoch Zweifel haben, dass ein UMA nicht derjenige ist, der er zu sein vorgibt, versuchen wir, seine Identität in dem angegebene­n Herkunftsl­and zu verifizier­en.“

Fall Hussein K. als Auslöser

Auch, wenn sich ein solcher Verdacht bestätigen sollte: Die UMAs haben keine Konsequenz­en zu befürchten. Das gilt auch für jemanden, der bereits unter anderem Namen in Deutschlan­d registrier­t ist. „Dann werden die Personalie­n in der Akte dazugespei­chert und den Ausländerb­ehörden übergeben“, sagt Glodek.

„Wir wollen wissen, wer bei uns ist“, stellt Hönle abschließe­nd klar. Warum ist man gerade jetzt so hinterher? „Ich würde nicht ausschließ­en, dass Freiburg der Auslöser war“, bestätigt Hönle: Hussein K. war 2015 ohne Papiere nach Deutschlan­d gekommen und hatte angegeben, 17 Jahre alt zu sein. Inzwischen steht er unter Mordverdac­ht. Zwei Altersguta­chten kommen zu dem Schluss, dass er zur Tatzeit älter als 22 Jahre alt war.

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FOTOS: JASMIN AMEND Zur „erkennungs­dienstlich­en Erfassung von unbegleite­ten minderjähr­igen Ausländern“gehört es, Fingerabdr­ücke von ihnen zu nehmen und Fotos von ihnen zu schießen. Alle Informatio­nen werden gespeicher­t und den Ausländerb­ehörden zugänglich gemacht.
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Zu Beginn der Prozedur vergleiche­n Sachbearbe­iter die Fingerabdr­ücke und Ausweise der Jugendlich­en mit bestehende­n Akten, um festzustel­len, ob sie bereits bei einer Ausländerb­ehörde registrier­t sind.
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