Forever young!
So mancher fand sein Liebesglück im Bottich – Eine Reise zurück in die Vergangenheit
E● s gibt kaum einen Aalener, der noch nie im Bottich gewesen ist. Ohne das Urgestein im Westen würde in der Kreisstadt etwas fehlen. Generationen von Nachtschwärmern sind hier über die Jahrzehnte ein- und ausgegangen. Im nächsten Jahr feiert die älteste Disco in Aalen ihr 50-jähriges Bestehen.
Wenn Günther Schimmel heute beim Ü40-Beat-Club den Bottich besucht, fühlt er sich wie damals. Er war 18 Jahre alt, als er zum ersten Mal die Disco betreten hat. Schlaghosen und ein Hemd mit übergroßem Kragen trägt der hagerere Kerl von damals heute nicht mehr. Auch die langen, fast zur Schulter reichenden Haare sind im Laufe der Jahre der Schere zum Opfer gefallen. Längst Vergangenheit sind auch die als Barhocker konstruierten Bierfässer und die als Sitzgelegenheit umfunktionierten Gärbottiche, die dem In-Lokal erst ihren Namen verliehen haben. Doch der Bottich ist geblieben und mit ihm viele Stammgäste, die ihm seit seiner Geburtsstunde im Jahr 1968 die Treue halten. So wie Günther Schimmel.
Der heute 67-Jährige erinnert sich noch genau an seine Sturm- und Drangzeit Ende der 60er Jahre, als er mit Freunden den Bottich gerockt hat. Hier lernte er auch seine Ehefrau Christa kennen. Und zwar am 2. Dezember 1969 um 22 Uhr. Das genaue Datum wird Günther Schimmel niemals vergessen. Die damals 17-Jährige mit den langen blonden Haaren und dem weiß-braunen Mini-Strickkleid an der Bar sei ihm sofort ins Auge geschossen. Sie war damals mit ihrer Clique unterwegs. Und auch bei Christa habe es gefunkt. Fortan besuchten die beiden gemeinsam den Bottich und das ist bis heute so geblieben. Die Disco wurde über die Jahrzehnte zu ihrem zweiten Wohnzimmer oder anders formuliert: Die beiden gehören hier mittlerweile schon zum Inventar. Mit Wolfgang Fausel, der seit 1978 Geschäftsführer ist und 1989 den Bottich übernommen hat, entwickelte sich über die lange Zeit eine richtige Freundschaft, sagt Günter Schimmel. Enge Verbindungen bestehen auch zu den vielen DJs, die hier seit Jahrzehnten auflegen.
Einer davon ist Franz Rieger, besser bekannt als Bottich-Franz. Wenn die Disco im nächsten Jahr ihren 50. Geburtstag feiert, blickt der in Hofherrnweiler lebende Vollblut-DJ auf sein 45-jähriges Wirken auf der Ost- alb zurück. All die Lokalitäten aufzuzählen, in denen der heute 63-Jährige bereits aufgelegt hat, würde den Rahmen sprengen. Dass er auch einmal im Bottich landen würde und hier einer der Stamm-DJs wird, ist dem Zufall zu verdanken. Am 10. April 1973 wollte Franz Rieger in der Disco im Westen der Stadt eigentlich nur seinen Geburtstag feiern. Da allerdings der für diesen Abend engagierte DJ nicht erschienen ist, sprang er kurzerhand ein und wurde fortan zum Bottich-Franz, der den Soul auf die Ostalb gebracht hat.
Rex Gildo und Howie waren hier
An seine legendäre Super-8-Schlagerparade Ende der 70er Jahre, den Talentschuppen oder die Tanzrunden mit eingebauten Pausen wie in der Tanzschule denken auch Günter und Christa Schimmel gerne zurück. In den besten Zeiten gab es keinen Stehplatz mehr, der Parkplatz war vom Koepf-Stadel bis zum Kastell links und rechts zugeparkt und bis zu 1300 Gäste sogar aus Ulm und Stuttgart strömten in den Bottich. In den Anfangsjahren waren hier auch Stars wie Rex Gildo, Howard Carpendale oder Peter Maffay zu Gast, erinnert sich Franz Rieger. Im Bottich legt er heute noch auf. Unter anderem sorgt er jeden ersten Samstag im Monat beim Ü40-Beat-Club für Stimmung, zu dem übers Jahr gerechnet zig Tausende Besucher kommen. Fest gebucht ist er auch für die alle drei bis vier Monate stattfindende Abba-Party zusammen mit DJ Uwe. Blickt der Herzblut-DJ auf die vergangenen Jahrzehnte zurück, hat sich vieles verändert. Durfte man in den Anfangsjahren nicht in Jeans den Bottich betreten, wurde die Kleiderordnung im Laufe der Zeit lockerer gehandhabt. Auch der Plattenteller, auf dem 100 000 Singles und 67 000 Langspielplatten aus dem Besitz des Bottichs abgespielt wurden, und der anschließende CD-Player wurden durch den Laptop abgelöst. Auf diesem kann DJ Franz heute auf über 1,9 Millionen Titel zurückgreifen. Und war der Bottich früher von Mittwoch bis Sonntag geöffnet, wird er seit zwei Jahren nur noch für Themenveranstaltungen geöffnet. Insofern gibt es auch die Rocknacht am Freitag zum Leidwesen von Christa und Günther Schimmel nicht mehr.
„Der Bottich war und ist einzigartig“, sagt Franz Rieger. Er habe alle Discotheken, die in Aalen einmal ihre Pforten eröffnet haben, überlebt. Der 63-Jährige denkt unter anderem ans Skylight, die Tenne, den Pub, das Safe oder das Hollywood. Überlebt hat der Aalener Bottich auch seinen „Bruder“in Berlin, wo die Inhaber Karlmann und Hansjörg Reich einst eine Disco gleichen Namens eröffnet haben.
Wer einmal Blut geleckt hat, kommt immer wieder. Oder wie es Günther und Christa Schimmel formulieren: „Einmal Bottich, immer Bottich.“Auf welchen Song sie beim Kennenlernen im Jahr 1969 geschwoft haben, wissen sie nicht mehr. Heute rocken sie in „ihrem“Bottich auf Musik der Band ACDC ab. Die beiden sind hier aber nicht die ältesten Stammgäste. Über 70 Jahre alt ist etwa das Ehepaar, das laut Schimmels regelmäßig hierher kommt und den Bottich erst verlässt, wenn es zu Tina Turners Song Nutbush City Limits abgetanzt hat.
Dass die Schimmels vom BottichGen von Anfang an infiziert sind, liegt nahe. Immerhin haben die Eltern von Christa Schimmel hier ihre Hochzeit gefeiert. Denn bevor es den Bottich gab, befand sich hier der Tanzsaal der ehemaligen Gaststätte Rössle. Mit dem Discofieber angesteckt haben sie auch ihre Tochter Diana. Die mittlerweile 39-Jährige besuchte in ihrer Sturm- und Drangzeit mit, aber auch ohne ihre Eltern oft den Bottich. Und wer weiß: Vielleicht marschieren Günther und Christa Schimmel zum 50-Jährigen im nächsten Jahr mit ihrem dann 14jährigen Enkel Adrian hier ein. Die Großeltern würde es freuen.