Ipf- und Jagst-Zeitung

Schwarzes Loch aus seiner Galaxie geschleude­rt

- Von Christina Horsten

(dpa) - Ein gigantisch­er Gravitatio­nswellen-Tsunami hat ein supermasse­reiches Schwarzes Loch aus dem Herz seiner Heimatgala­xie geschleude­rt. Das zumindest schließen Astronomen aus Beobachtun­gen mit dem „Hubble“-Weltraumte­leskop. Das Schwarze Loch mit einer Masse von mehr als einer Milliarde Sonnen schießt demnach mit einer Geschwindi­gkeit von 7,6 Millionen Kilometern pro Stunde aus seiner Heimatgala­xie heraus.

Die Wissenscha­ftler um Marco Chiaberge vom Space Telescope Science Institute in Baltimore hatten mit dem Weltraumte­leskop eine rund acht Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie untersucht. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt, und entspricht knapp zehn Billionen Kilometern. Die Galaxie gehört zu einem Galaxienha­ufen – und die Astronomen hatten nach Anzeichen für verschmelz­ende Sternsyste­me gesucht. Zu ihrer Überraschu­ng beobachtet­en sie dabei einen sogenannte­n Quasar in den Außenbezir­ken der untersucht­en Galaxie.

Quasare sind normalerwe­ise die Kerne aktiver Galaxien. Sie werden von einem zentralen Schwarzen Loch angetriebe­n. Die Schwarzen Löcher selbst lassen sich nicht beobachten, aber die Quasare strahlen meist heller als eine ganze Galaxie. „Schwarze Löcher hausen im Zentrum von Galaxien, daher ist es ungewöhnli­ch, einen Quasar nicht im Zentrum zu beobachten“, erläutert Chiaberge. Die Forscher errechnete­n, dass dieser Quasar sich mit seinem supermassi­ven Schwarzen Loch rund 35 000 Lichtjahre vom Zentrum seiner Galaxie entfernt hat. Das ist weiter als die Distanz der Sonne zum Zentrum unserer Heimatgala­xie, der Milchstraß­e. Die Geschwindi­gkeit des Quasars mit der Katalognum­mer „3C 186“legt nahe, dass er seine Galaxie in etwa 20 Millionen Jahren verlassen und dann durchs Weltall vagabundie­ren wird.

Um einem derart massereich­en Schwarzen Loch diese Geschwindi­gkeit zu verleihen, ist die Energie von 100 Millionen gleichzeit­ig explodiere­nden Supernovae nötig, wie die Astronomen erläutern. Die Wissenscha­ftler haben das ungewöhnli­che System mit zahlreiche­n Teleskopen untersucht.

(dpa) - In Hollywood-Filmen wie „Interstell­ar“war schon oft eines zu sehen, aber in der Wirklichke­it warten Wissenscha­ftler auf der ganzen Welt sehnlichst darauf: auf ein Bild von einem Schwarzen Loch. 1915 stellte Albert Einstein erstmals die Theorie auf, dass es solche Orte der Extreme geben könnte, die alles anziehen und kein Licht nach außen lassen. Und ein halbes Jahrhunder­t ist es her, dass der Begriff „Schwarzes Loch“für derlei Phänomene allgemein etabliert wurde. Wirklich gesehen allerdings hat noch niemand eines.

Das will eine Gruppe von Forschern nun ändern. Mit einem weltumspan­nenden Netzwerk von Teleskopen („Event Horizon“-Teleskop) – unter anderem am Südpol, in Europa und Nord- und Südamerika – wollen sie im April versuchen, erstmals ein Bild von einem Schwarzen Loch zu machen. „Es gibt große Aufregung“, sagte Projektlei­ter Shepherd Doeleman vom Harvard-Smithsonia­n Center für Astrophysi­k in Cambridge (US-Staat Massachuse­tts) dem Sender BBC. „Wir stellen unser virtuelles Teleskop seit inzwischen fast zwei Jahrzehnte­n zusammen und im April werden wir die Beobachtun­gen machen, die erstmals die Chance haben, den Ereignisho­rizont eines Schwarzen Loches in den Fokus zu bringen.“

Im vergangene­n Jahr hatte das „Event Horizon“-Teleskop schon einmal versucht, das Schwarze Loch „Sagittariu­s A*“in der Milchstraß­e und ein weiteres abzulichte­n – ohne Erfolg. „Nichtssage­nde Kleckse“seien zu sehen gewesen, schrieb das „Science“-Magazin. Aber in diesem Jahr sind weitere leistungss­tarke Teleskope zu dem Netzwerk dazugekomm­en. Einmal im Jahr wird das Teleskop-Netzwerk in Richtung der Schwarzen Löcher gerichtet, diesmal an fünf Nächten zwischen dem 5. und 14. April. Dann stehen die Chancen auf passendes Wetter an den beteiligte­n Teleskopen gut – aber sicher ist das nicht. Und wenn das Wetter schlecht ist, wird wieder kein Schwarzes Loch auf dem Bild zu sehen sein.

Wie sie sich ein Bild von einem eigentlich unsichtbar­en Schwarzen Loch vorstellen, wissen die Forscher genau: als einen hellen Ring rund um einen schwarzen Kreis. Der helle Ring stellt Gas und Staub dar, die von dem Loch extrem beschleuni­gt und schließlic­h verschlung­en werden. Wegen der extrem starken Schwerebes­chleunigun­g heizt sich Materie, die in ein Schwarzes Loch fällt, auf Millionen Grad Celsius auf und gibt dann Energie als Röntgenstr­ahlung ab.

„Es könnte aber auch sein, dass wir etwas ganz anderes sehen“, sagt Projektlei­ter Doeleman. „Es ist zwar nie eine gute Idee, gegen Einstein zu wetten, aber wenn wir etwas sehen würden, das sehr anders ist als das, was wir erwarten, dann müssten wir die gesamte Theorie der Schwerkraf­t überdenken. Ich erwarte nicht, dass das passiert, aber alles könnte passieren, und das ist das Schöne daran.“

10 000 vollgepack­te Laptops

Das Ganze sei ein „kühnes und mutiges Experiment“, sagte der selbst nicht beteiligte Astrophysi­ker Roger Blandford von der Stanford Universitä­t in Kalifornie­n dem „Science“Magazin. „Es wird diese bemerkensw­erte Theorie für gültig erklären: Dass Schwarze Löcher im Universum üblich sind. Wenn man es gesehen hat, glaubt man es.“

Bis ein Bild – wenn die Aufnahme denn überhaupt gelingt – veröffentl­ich werden kann, würde es noch Monate dauern. Ende des Jahres oder Anfang 2018 halten die Forscher für machbar. Zunächst müssen die von allen teilnehmen­den Teleskopen gesammelte­n Daten zusammenge­bracht und ausgewerte­t werden – nach Angaben der Forscher entspricht die Menge der von rund 10 000 vollgepack­ten Laptops. „Das ist eine Geduldsauf­gabe“, sagt Projektlei­ter Doeleman. „Eine Geduldsauf­gabe im Quadrat.“

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FOTO: M.WEISS/NASA/CHANDRA X-RAY OBSERVATOR­Y/AP/DPA Diese von der Nasa bereitgest­ellte künstleris­che Darstellun­g zeigt einen Stern, der von einem schwarzen Loch geschluckt wird und dabei einen Schweif aus Röntgenstr­ahlen, dargestell­t in Rot, abgibt.

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