Erstaunliche neue Details im Fall Amri
Ravensburger Richter erzählt von Heiratsplänen des Attentäters – Abschiebehaft aussichtlos
(dpa/sz) - Was ist falsch gelaufen im Fall des Berliner Attentäters? Seit sieben Wochen werden Spitzenbeamte und Politiker im Düsseldorfer Untersuchungsausschuss in Sachen Anis Amri befragt. In der 14. Sitzung am Montag kamen nun erstmals die für Amri zuständigen Beamten des Ausländeramts Kleve sowie der damals bei der Festnahme des Tunesiers in Friedrichshafen anwesende Bereitschaftsrichter aus Ravensburg zu Wort. Vor allem gab er dabei erstaunliche neue Details über jenen Mann preis, der am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz gesteuert und zwölf Menschen getötet hat.
Am Samstag, 30. Juli 2016, wurde Amri in Ravensburg kurzfristig inhaftiert, nachdem er in einer Buskontrolle mit gefälschten Pässen und Betäubungsmitteln erwischt wurde. „Er machte einen lockeren Eindruck, in keiner Weise aggressiv“, berichtete der Richter am Montag in Düsseldorf über seine Begegnung mit „Amir“, wie er sich damals nannte, in einer Haftzelle in Friedrichshafen. Über einen italienisch sprechenden Polizeibeamten habe er sich mit dem Tunesier verständigt. Durch die Bundespolizei, die Amri bereits die Ausreise untersagt hatte, war der Richter informiert, dass der Fall „ein bisschen besonders“war, auch der IS-Bezug sei ihm mitgeteilt worden.
Über das Wochenende habe er auf Grundlage dürftiger Informationen klären müssen: „Was macht man mit dem? Kann man ihn in Haft nehmen?“Amri habe ihm eine abenteuerliche Geschichte aufgetischt: In Turin warte schon längst seine Braut auf ihn. „Es gebe Probleme mit der Frau, wenn er nicht zu ihr fahren würde“, erinnerte sich der Zeuge. Er wolle deswegen eh ausreisen, habe Amri dem Richter erzählt. Der ordnete jedoch umgehend einstweilig einen Haftbefehl an.
Ab diesem Zeitpunkt tickte die Uhr für die zuständigen Behörden in Kleve: Nur bis zum darauffolgenden Montag, 18 Uhr, hatten sie Zeit zu prüfen, ob die Rechtsgrundlagen für eine Abschiebehaft vorliegen. Dies sei nicht der Fall gewesen, berichten die Mitarbeiter der Behörde am Montag. Gescheitert sei die Abschiebung des abgelehnten Asylbewerbers aus der Haft heraus an zwei Voraussetzungen: der fehlenden Bestätigung der Identität durch Tunesien und der daraus resultierenden Schwierigkeiten, Amri innerhalb der gesetzlichen Höchstgrenze von sechs Monaten abzuschieben. Stattdessen erhielt der spätere Attentäter im August 2016 Duldungspapiere – mit fatalen Folgen.