Abriss des zweiten Atommeilers beginnt
Reaktorblock I in Neckarwestheim soll bis 2032 verschwunden sein
- Ein öliger Bolzen hat am Montag einen weiteren Schritt in Richtung Atomausstieg symbolisiert: Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne) und Hans-Josef Zimmer, Technikvorstand der EnBW, drehten die Schraube aus einem Verbindungsrohr im Kernkraftwerk Neckarwestheim. Damit hat der Abriss des ersten von zwei Reaktorblöcken des Meilers im Kreis Heilbronn offiziell begonnen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie viele Meiler sind in BadenWürttemberg noch am Netz?
Derzeit laufen noch zwei von ursprünglich fünf Reaktorblöcken. Obrigheim (Neckar-Odenwald-Kreis) ist seit 2005 stillgelegt, seit 2008 läuft der Abriss. In Neckarwestheim und Philippsburg (Kreis Karlsruhe) stehen je zwei Reaktoren, von denen je einer bereits keinen Strom mehr produziert. Der Abriss in Philippsburg soll in der zweiten Jahreshälfte beginnen. 2022 soll als letzter Atommeiler der zweite Block von Neckarwestheim stillstehen. Die EnBW rechnet damit, dass der Abriss zehn bis 15 Jahre dauert. Trifft das zu, wären bis 2027 deutschlandweit alle Akw zurückgebaut. Allerdings bleiben Zwischenlager für Atommüll an den Meilern bestehen.
Was ist passiert, seit Neckarwestheim I keinen Strom mehr liefert?
Die Stromproduktion ruht bereits seit 2011. Der Meiler gehört zu den ersten, die vom Netz gingen. Damals hatte die Bundesregierung unter dem Eindruck der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima ein rasches Aus für die Atomkraft in Deutschland beschlossen. Bis 2022 gehen, je nach Alter, alle Reaktoren außer Betrieb. Seitdem Neckarwestheim abgeschaltet wurde, ruhen die hochradioaktiven Brennstäbe in einem Abklingbecken und werden dort überwacht. Von dort können sie, wie andere Brennstäbe auch, in schützenden Castorbehältern in ein Zwischenlager kommen.
Wie läuft der Abriss ab?
Bereits im Februar hat das Umweltministerium den Rückbau von Neckarwestheim genehmigt. Seither laufen nur noch Systeme wie die Lüftung, die weiterhin benötigt werden. Dann wurde der Druckbehälter mit den radioaktiven Brennstäben von den Hauptleitungen getrennt. Über diese wurde dem Reaktor Wasser zugeführt, das sich im Inneren erhitze und eine Dampfturbine antrieb – diese erzeugte den Strom. Am heikelsten ist der Abbau des Druckbehälters. Er hat mehre Hüllen, die von innen nach außen abgetragen werden. Die am stärksten strahlenden Teile werden im noch mit Wasser befüllten Innenraum zerteilt. Das geschieht mit ferngesteuerten Werkzeugen. Die Hüllen aus Stahl und Beton werden zersägt. Während des Abbaus laufen die staatlichen Kontrollen der Anlagen weiter.
Was geschieht mit dem strahlenden Material?
Die Brennstäbe lagern in Castoren zunächst am Kernkraftwerk Neckarwestheim. Dort ist Platz für 151 solcher strahlensicherer Behälter. Ansonsten fallen nach EnBW-Berechnungen 331 000 Tonnen Material an. Davon seien vier Prozent radioaktiv belastet. Ein Teil wird in einem eigens dafür gebauten Zentrum zur Reststoffbearbeitung auf dem Akw-Gelände behandelt. Dort wird Material dekontaminiert. Wie auch andere Teile kann es dann freigemessen werden. Das heißt: Es liegt nach Messungen unterhalb jener Strahlenwerte, die als bedenklich gelten. Sie kommen auf normale Deponien. Schwach- und mittelradioaktive Materialien werden in einem ebenfalls dafür errichteten Lager am Akw deponiert.
Sind mit dem Atomausstieg alle Streitfragen ausgeräumt?
Nein. Gegner kritisieren Punkte. So halten sie es für falsch, Material aus Akws auf normalen Deponien zu lagern. Sie bestreiten, dass die Strahlenbelastung unbedenklich ist. Umweltminister Untersteller verweist auf ein Gutachten, das im Auftrag seines Hauses 2016 erstellt wurde. Ergebnis: Die zusätzliche Strahlenbelastung durch solche Abfälle liege unter zehn Mikrosievert. Das liege weit unter dem, was Menschen pro Tag an natürlicher Strahlung ausgesetzt sind. Ein weiterer Streitpunkt: Aus dem stillgelegten Akw Obrigheim sollen in diesem oder dem nächsten Jahr Castorbehälter nach Neckarwestheim transportiert werden – per Schiff über den Neckar. Gegner halten das für gefährlicher als den Transport über die Straße. Weiterhin ungeklärt ist die Frage, wohin hoch radioaktiver Müll soll. In Deutschland gibt es kein geeignetes Endlager, bis 2031 soll eine Expertenkommission einen Standort finden.
Ein Video unserer Korrespondentin aus dem Reaktorblock sehen Sie unter: