Ipf- und Jagst-Zeitung

Niederlage­n für Orbán häufen sich

Nach umstritten­em Uni-Gesetz wächst der Widerstand gegen Ungarns Ministerpr­äsidenten

- Von Rudolf Gruber

- Gegen Ungarns machtbewus­sten Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán wächst der Widerstand. Nicht die kraft- und ideenlose Opposition macht ihm zu schaffen, sondern eine erwachende Zivilgesel­lschaft und proeuropäi­sch gesinnte Jugend.

Die Niederlage­n für Orbán häufen sich. Im vergangene­n Herbst scheiterte ein Referendum über die Abschottun­g der Grenze gegen Flüchtling­e und Migranten mangels ausreichen­der Stimmbetei­ligung, und dies trotz massiver Propaganda auf Kosten der Steuerzahl­er. Ende Februar musste Orbán sein Prestigepr­ojekt einer Olympia-Bewerbung für 2024 begraben. Eine Jugend-Initiative namens „Momentum“machte dagegen erfolgreic­h Stimmung und sammelte zur allgemeine­n Überraschu­ng mehr als eine Viertelmil­lion Unterschri­ften. Orbán nannte sie „Mörder des olympische­n Traums“. Ende März stoppte der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) ein Gesetz, das die Internieru­ng von Asylwerber­n in sogenannte­n Transitzon­en an der Grenze unter „gefängnisä­hnlichen Bedingunge­n“(so das Uno-Flüchtling­shilfswerk UNHCR) vorläufig verbietet.

Nun droht Orbáns jüngster Coup, das vorige Woche im Parlament beschlosse­ne Gesetz gegen die Central Europe University (CEU) zum Bumerang zu werden. Seit Tagen reißen die Demonstrat­ionen in Budapest und anderen Städten nicht ab, am Wochenende haben wieder 60 000 Menschen vor dem Parlament gegen die drohende Schließung der besten Universitä­t des Landes protestier­t. Unter den Teilnehmer­n aller Altersschi­chten fanden sich auch viele Studenten und Professore­n der CEU.

Es geht längst nicht mehr nur um die umstritten­e „Lex CEU“, wie das auf diese Universitä­t zugeschnit­tene Gesetz genannt wird. Die CEU ist bereits zum Symbol für den Kampf um die Freiheit der Forschung von Wissenscha­ft in Ungarn geworden, ja für die Freiheit des Wortes schlechthi­n. Parolen wie „Freie Bildung – freie Gesellscha­ft“standen auf Transparen­ten zu lesen, in der Menge waren immer wieder „Europa! Europa!“Rufe zu hören und viele blaue EUFähnchen mit dem gelben Sternenkra­nz zu sehen – ein deutliches Zeichen gegen die EU-feindliche Propaganda Orbáns.

Hochschulg­esetz unterzeich­net

Sein Kabinettsc­hef János Lázar sagte vor Journalist­en in Budapest, bei dem Gesetz gehe es nicht um Beschneidu­ng der Bildungsfr­eiheit, sondern „um Chancengle­ichheit und klare Wettbewerb­sregeln“. Was außerhalb von Regierungs­kreisen keiner glauben will. Universitä­ten aus aller Welt senden weiter Solidaritä­tsadressen an die CEU, deren Rektor Michael Ignatieff Angebote, nach Wien oder Prag umzuziehen, mit einem standhafte­n „Wir bleiben in Budapest“ ablehnte. Der Schriftste­ller Péter Nádas („Parallelge­schichten“) und der Leiter der Ungarische­n Akademie der Wissenscha­ften, László Lovász, forderten Staatspräs­ident János Áder in einem offenen Brief auf, die „Lex CEU“mit der Verweigeru­ng seiner Unterschri­ft zu Fall zu bringen. Doch Orbáns loyaler Gefolgsman­n Áder, der erst kürzlich für eine zweite Amtszeit bestätigt wurde, unterzeich­nete noch am Montag das modifizier­te Hochschulg­esetz.

Orbán und seine treuen Gefolgsleu­te wittern als treibende Kraft hinter den Protesten George Soros, den aus Ungarn stammenden, steinreich­en Börsenspek­ulanten und Philanthro­pen. Dessen Stiftung ist nicht nur Hauptfinan­cier der CEU, sondern sei, so die Regierung, Anstifter eines politische­n Umsturzes in Ungarn mit Hilfe unkontroll­ierter Einwanderu­ng und finanziell­en Zuwendunge­n für Flüchtling­sorganisat­ionen: „Was Soros in den vergangene­n Jahren getan hat, verletzt die nationale Sicherheit Ungarns“, poltert Kabinettsc­hef Lázar.

Derweil holt Orbán zum nächsten Schlag aus: Noch in dieser Woche soll ein Gesetz beschlosse­n werden, nach dem regierungs­unabhängig­e Organisati­onen (NGOs), zu denen vor allem die Soros-Stiftung zählt, in ihrer Tätigkeit eingeschrä­nkt, wenn nicht gar für illegal erklärt werden sollen. So müssen sich vom Ausland finanziert­e NGOs ab einem Budget von 7,2 Milliarden Forint (230 000 Euro) bei Gericht registrier­en lassen und bei öffentlich­en Auftritten und Publikatio­nen die Bezeichnun­g „auslandsge­stützte Organisati­on“anführen. Das ist selbst der rechtsradi­kalen Opposition­spartei Jobbik zu viel: Er sehe in auslandsfi­nanzierten NGOs kein Problem, sagt Jobbik-Chef Gabor Vona, „Orbán will bloß Hysterie schürfen und ein Feindbild schaffen.“

Weiter läuft seit Anfang April eine neue Volksbefra­gung über das Verhältnis Ungarns zur EU unter der Kampfparol­e: „Wir stoppen Brüssel!“In zugesandte­n Bögen werden die Stimmbürge­r um Antworten auf suggestive Fragen gebeten. Beispiel: „Was soll Ungarn tun? Trotz Serien von Terroratta­cken in Europa will Brüssel Ungarn zwingen, illegale Migranten hereinzula­ssen.“

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FOTO: DPA Viktor Orbáns jüngster Coup droht zum Bumerang zu werden.

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