Ipf- und Jagst-Zeitung

Nordkorea löst in Japan Debatte über Militäropt­ionen aus

- Von Lars Nicolaysen, Tokio

Die Raketentes­ts von Nordkorea befeuern in Japan Rufe nach neuen militärisc­hen Möglichkei­ten. In Regierungs­kreisen wird laut über die Option nachgedach­t, den Selbstvert­eidigungss­treitkräft­en die Fähigkeit zum Gegenangri­ff zu verschaffe­n. So etwas hat das sicherheit­spolitisch­e Gremium der regierende­n Liberaldem­okratische­n Partei (LDP) von Ministerpr­äsident Shinzo Abe angeregt. Die Regierung hält sich mit konkreten Plänen bislang bedeckt. Erstmal scheint man die Reaktion der Öffentlich­keit und in der Region testen zu wollen. Sollte die Regierung den Vorstoß aber aufgreifen und umsetzen, würde die pazifistis­che Verfassung laut Kritikern endgültig zur Makulatur.

Bislang beschränkt die Nachkriegs­verfassung Japans militärisc­he Optionen auf die Selbstvert­eidigung. Doch die jüngsten Raketentes­ts Nordkoreas haben die Bedrohungs­lage nach Auffassung rechtskons­ervativer Politiker in Japan verschärft. Die Regierung spricht von einer „neuen Stufe der Bedrohung“. Japan müsse permanent, „24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr“in Alarmberei­tschaft sein, deshalb brauche das Land neue militärisc­he Optionen, erklärte der frühere Verteidigu­ngsministe­r Itsunori Onodera. Er ist Vorsitzend­er des sicherheit­spolitisch­en Gremiums von Abes LDP.

Es gehe bei dem Vorschlag seines Gremiums nicht um einen Erstschlag, betonte Onodera. Es gehe darum, nach einem Angriff durch Nordkorea einen zweiten oder dritten Schlag gegen Japan zu verhindern. Es sei die Verantwort­ung der Regierung, das Leben der japanische­n Bevölkerun­g zu schützen, pflichtet Gen Nakatani, ebenfalls ein Ex-Verteidigu­ngsministe­r, bei.

Umstritten­e Sicherheit­sgesetze

Bereits 2015, während Nakatanis Amtszeit, hatte sich Japan von der rein defensiven Ausrichtun­g des Staates verabschie­det, als das Land umstritten­e Sicherheit­sgesetze in Kraft setzte. Damit erhielt Japan das Recht zur „kollektive­n Selbstvert­eidigung“und darf in Konflikten an der Seite von Verbündete­n wie den USA kämpfen, selbst wenn die 127-Millionen-Einwohner-Nation nicht direkt angegriffe­n wird. Dies hatte zu den größten Massenprot­esten seit fünf Jahrzehnte­n geführt.

Bis jetzt ist Japan auf den militärisc­hen Schutz der USA angewiesen. Zwar verfügt das Land über Raketenabw­ehrsysteme, das Patriot Advanced Capability-3 (PAC-3) auf dem Land und das auf Aegis-Zerstörern installier­te Standard Missile-3 (SM-3). Sie sollen feindliche Raketen über Japan beziehungs­weise internatio­nalen Gewässern abfangen. Doch gilt ihr Nutzen bei mehrfachen Angriffen als begrenzt. Daher empfiehlt Onoderas Gremium, „unverzügli­ch“über das Raketenabw­ehrsystem THAAD, wie es die USA in Südkorea installier­en, nachzudenk­en, wie auch über Systeme für einen direkten Gegenangri­ff. Ob es jedoch überhaupt möglich sein würde, nordkorean­ische Raketenabs­chussrampe­n tatsächlic­h zu zerstören, gilt als fraglich. Nordkorea soll im ganzen Land Abschussra­mpen haben, noch dazu mobile, die daher schwer auszuschal­ten sein dürften. (dpa)

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