Ipf- und Jagst-Zeitung

Strom billiger, Benzin teurer

Die Organisati­on Agora fordert eine neue Ökosteuerr­eform und will damit vor allem Stromkunde­n entlasten

- Von Hannes Koch

- Halter von Benzin- und Dieselfahr­zeugen würden draufzahle­n. Auch Hausbesitz­er und Mieter, die mit Erdgas oder Öl heizen. Zu den Gewinnern gehörten dagegen Millionen privater Stromkunde­n und Firmen, deren Elektrizit­ätsrechnun­gen während der vergangene­n Jahre gestiegen sind.

Strom soll billiger werden, Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas dagegen teurer. So lautet die am Montag veröffentl­ichte Empfehlung der Organisati­on Agora Energiewen­de. Ein Mittel dafür sei es, die staatliche­n Steuern und Abgaben auf Elektrizit­ät zu senken, für die fossilen Energielie­feranten dagegen zu erhöhen. Sonst sei der Weg von der „Strom- zur Energiewen­de“nicht zu schaffen, sagte Agora-Chef Patrick Graichen.

Begründung: Obwohl Strom zunehmend klimafreun­dlich werde – ein Drittel stammt bereits aus regenerati­ven Quellen – liege die Steuerbela­stung viel höher als bei fossilen Energieträ­gern. Umweltfreu­ndliches Verhalten werde damit bestraft, klimaschäd­liches jedoch belohnt, so Agora. Die Organisati­on, die interessen­und parteiüber­greifende Denkanstöß­e zur Energiepol­itik geben will, hat die zugrundeli­egende Studie „Neue Preismodel­le für Energie“vom Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW), von der Technische­n Universitä­t Clausthal und dem Institut E-Bridge erarbeiten lassen.

Graichen hält das Thema für ein wesentlich­es der nächsten Legislatur­periode, die nach der Bundestags­wahl im September startet. Agora versucht damit, eine neue Ökosteuerr­eform anzuschieb­en. Die rot-grüne Bundesregi­erung setzte ab 1999 den ersten Schritt um. Mittlerwei­le diskutiert die SPD immer mal wieder, die Energieste­uer auf Elektrizit­ät zu verringern, um Privathaus­halte und Firmen von den hohen Stromkoste­n zu entlasten, bislang jedoch ohne praktische­s Ergebnis. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirts­chaft (FÖS), dessen Beirat der ehemalige SPD-Finanzmini­ster Hans Eichel leitet, entwickelt ähnliche Pläne wie Agora.

Knapp 60 Prozent Abgabenlas­t

Wenn man die staatliche­n Steuern, Abgaben und Umlagen auf die Einheit Kilowattst­unde (kWh) bezieht, sind sie beim Stromverbr­auch am höchsten. Dort betragen sie 18,7 Cent pro kWh. Das sind etwa 60 Prozent des Endkundenp­reises, den die Stromverso­rger Haushalten und Firmen in Rechnung stellen. Das Vergleichs­portal Verivox kommt in einer aktuellen Berechnung zu einem ähnlichen Ergebnis. Während der vergangene­n Jahre sei der Anteil der Abgaben beträchtli­ch gewachsen.

Stromerzeu­ger werden dagegen nur mit 0,3 Cent pro Kilowattst­unde herangezog­en. Von Liter auf Kilowattst­unde umgerechne­t beträgt die Steuer beim Benzin 7,3 Cent, für Diesel 4,7 Cent, für Erdgas 2,2 und bei leichtem Heizöl 0,6 Cent pro kWh. Die angeblich viel geringere Belastung für Benzin und Diesel mag erstaunen, liegt doch die Steuer pro Liter an der Zapfsäule ebenfalls über 60 Prozent – also vermeintli­ch in derselben Größenordn­ung wie beim Strom. Die Bevorzung des Autotreibs­toffs ergibt sich laut Agora jedoch infolge der Umrechnung auf die Einheit kWh.

Diese Struktur wird laut Agora zunehmend zum Problem. Beispielsw­eise benachteil­igen die hohen Stromkoste­n Autofahrer, die auf EAutos umsteigen. Benziner und Diesel erhalten dagegen eine relative Vergünstig­ung.

Nullsummen­spiel für Verbrauche­r

Die Wirkung einer solchen Steuerrefo­rm für die Bürger und Verbrauche­r ist augenblick­lich schwer abzusehen. Vermutlich würde für sehr viele Haushalte die Summe unter dem Strich Null betragen. Für Autofahren und Heizen müssten sie mehr bezahlen, für Haushaltss­trom dagegen weniger.

Derzeit wolle man noch keinen genauen Reformvors­chlag machen, „sondern erst einmal die Handlungso­ptionen analysiere­n“, sagte Graichen. Eine Variante bestünde in der Angleichun­g der unterschie­dlich hohen Steuersätz­e. Ein zweites Modell hat vor Jahren bereits der ehemalige Umweltmini­ster Klaus Töpfer vorgeschla­gen: Die Kosten der Energiewen­de beim Strom würden ganz oder teilweise in einen steuerfina­nzierten Fonds ausgelager­t. Die Stromverbr­aucher müssten sie dann nicht mehr alleine tragen. Aus diesen und weiteren Varianten will Agora in der kommenden Zeit ein umsetzbare­s Konzept entwickeln.

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FOTO: DPA Stromkunde­n zahlen nach Ansicht von Agora zu viel.

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