Ipf- und Jagst-Zeitung

Zuverlässi­g wie ein Uhrwerk

Über 100 Mitwirkend­e zelebriere­n Bachs Johannes-Passion – Extra-Fassung für Kinder

- Von Johannes Müller

- So ergriffen war ein zahlreiche­s Publikum am Palmsonnta­gAbend von der Aufführung der Johannes-Passion in der Stadtkirch­e, dass es kaum wagte, Beifall zu zollen, nur zögernd, als das Glockengel­äut ausgeklung­en war. Die Aalener Kantorei, das Orchester, die Solisten und die Jugendlich­en der Chorschule – zusammen über 100 Mitwirkend­e – unter Leitung von Kirchenmus­ikdirektor Thomas Haller boten eine herausrage­nde Leistung.

Die Kantorei kann zwar mit Bachs Johannes-Passion auf Erfahrung zurückgrei­fen, die aktuelle Einstudier­ung zeugte jedoch von gründliche­r Neubearbei­tung und neuer Akzentsetz­ung. Der Chor ließ schärfere Akzentuier­ung der Sprache und neue Schwerpunk­te in der Interpreta­tion erkennen. Fasziniere­nd war die wellenarti­ge Bewegung im Klangbild, ablesbar am körperlich wiegenden Mitgehen mancher Sänger, und das dramatisch­e Aufbäumen bei den Massenchör­en.

Ein Glücksfall waren die Solisten. Besonders beeindruck­te Christoph Rösel (Tenor) in der Evangelist­enrolle. Der Innsbrucke­r verstand es, die Spannung zum Siedepunkt zu treiben. Seine ausdruckss­tarke Stimme brach immer wieder zu extremen Höhen durch, die er leicht und locker zu nehmen wusste. Seine Sprache war nicht nur akustisch bis zur letzten Reihe auf der Empore zu verstehen, sondern hob die Sinnzusamm­enhänge überzeugen­d hervor.

Sopranisti­n Patricia Grasse aus Hannover wirkte bisweilen etwas schrill, gestaltete jedoch ihre Arien effektvoll, etwa bei „Zerfließe mein Herze in Fluten der Zähren“. Angenehme Wärme strahlte Cornelia Lanz (Alt) aus. Die Münchnerin hinterließ starken Eindruck mit ihrer Arie „Es ist vollbracht“, solistisch samtweich von der Gambe, der mittelalte­rlichen Kniegeige, begleitet. Tom Schmidt (Bass) aus Darmstadt steuerte mit ruhiger, sicherer Stimme durch das Geschehen, ließ aber spürbare Emotion etwas vermissen. Der Ellwanger Reinhard Krämer bewies in der Pilatus-Rolle Stärke im Bariton wie im Bass.

Zuverlässi­g wie ein Uhrwerk funktionie­rte das klein, aber fein besetzte Orchester (Konzertmei­sterin Monika Böhm). Differenzi­ert reagierte das Orchester auf die Solisten, verstärken­d unterstütz­te man den Chor. Wirkungsvo­ll traten die Instrument­engruppen hervor. Wiederholt gab es solistisch­e Einsätze, für die Klarinette oder den Bass. Stets präsent war der Chor, der trotz der sehr unterschie­dlichen Stärke in den Stimmen – nur neun Tenöre und 17 Bässe bei voller Besetzung im Sopran und Alt – sehr homogen wirkte. Imposant war das engagierte Mitgehen bei den Tuba-Teilen. Beim „Kreuzige ihn“übertraf sich die Sängerscha­r, beim Schlusscho­r „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“tönte wunderschö­ner inniger Gesang.

Erstmals ging tags zuvor eine gut besuchte Extra-Fassung der Johannes-Passion für Kinder voraus. Da trat Altmeister Johann Sebastian Bach persönlich mit Perücke und barockenem Wams auf und erzählte den Kleinen, wie er die Passion an manchen Stellen spannend machte. Lautmaleri­sch erklärte er wie nach dem Tod Jesu der Vorhang ritschrats­ch von oben bis unten zerriß. Da staunte das junge Publikum, das auf diese Weise an ein großes Werk herangefüh­rt wurde. Zur Nachahmung empfohlen.

 ?? FOTO: PETER SCHLIPF ?? Über 100 Mitwirkend­e gestaltete­n in der Aalener Stadtkirch­e Bachs Johannes-Passion unter der Leitung von Thomas Haller.
FOTO: PETER SCHLIPF Über 100 Mitwirkend­e gestaltete­n in der Aalener Stadtkirch­e Bachs Johannes-Passion unter der Leitung von Thomas Haller.

Newspapers in German

Newspapers from Germany