Zuverlässig wie ein Uhrwerk
Über 100 Mitwirkende zelebrieren Bachs Johannes-Passion – Extra-Fassung für Kinder
- So ergriffen war ein zahlreiches Publikum am PalmsonntagAbend von der Aufführung der Johannes-Passion in der Stadtkirche, dass es kaum wagte, Beifall zu zollen, nur zögernd, als das Glockengeläut ausgeklungen war. Die Aalener Kantorei, das Orchester, die Solisten und die Jugendlichen der Chorschule – zusammen über 100 Mitwirkende – unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Thomas Haller boten eine herausragende Leistung.
Die Kantorei kann zwar mit Bachs Johannes-Passion auf Erfahrung zurückgreifen, die aktuelle Einstudierung zeugte jedoch von gründlicher Neubearbeitung und neuer Akzentsetzung. Der Chor ließ schärfere Akzentuierung der Sprache und neue Schwerpunkte in der Interpretation erkennen. Faszinierend war die wellenartige Bewegung im Klangbild, ablesbar am körperlich wiegenden Mitgehen mancher Sänger, und das dramatische Aufbäumen bei den Massenchören.
Ein Glücksfall waren die Solisten. Besonders beeindruckte Christoph Rösel (Tenor) in der Evangelistenrolle. Der Innsbrucker verstand es, die Spannung zum Siedepunkt zu treiben. Seine ausdrucksstarke Stimme brach immer wieder zu extremen Höhen durch, die er leicht und locker zu nehmen wusste. Seine Sprache war nicht nur akustisch bis zur letzten Reihe auf der Empore zu verstehen, sondern hob die Sinnzusammenhänge überzeugend hervor.
Sopranistin Patricia Grasse aus Hannover wirkte bisweilen etwas schrill, gestaltete jedoch ihre Arien effektvoll, etwa bei „Zerfließe mein Herze in Fluten der Zähren“. Angenehme Wärme strahlte Cornelia Lanz (Alt) aus. Die Münchnerin hinterließ starken Eindruck mit ihrer Arie „Es ist vollbracht“, solistisch samtweich von der Gambe, der mittelalterlichen Kniegeige, begleitet. Tom Schmidt (Bass) aus Darmstadt steuerte mit ruhiger, sicherer Stimme durch das Geschehen, ließ aber spürbare Emotion etwas vermissen. Der Ellwanger Reinhard Krämer bewies in der Pilatus-Rolle Stärke im Bariton wie im Bass.
Zuverlässig wie ein Uhrwerk funktionierte das klein, aber fein besetzte Orchester (Konzertmeisterin Monika Böhm). Differenziert reagierte das Orchester auf die Solisten, verstärkend unterstützte man den Chor. Wirkungsvoll traten die Instrumentengruppen hervor. Wiederholt gab es solistische Einsätze, für die Klarinette oder den Bass. Stets präsent war der Chor, der trotz der sehr unterschiedlichen Stärke in den Stimmen – nur neun Tenöre und 17 Bässe bei voller Besetzung im Sopran und Alt – sehr homogen wirkte. Imposant war das engagierte Mitgehen bei den Tuba-Teilen. Beim „Kreuzige ihn“übertraf sich die Sängerschar, beim Schlusschor „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“tönte wunderschöner inniger Gesang.
Erstmals ging tags zuvor eine gut besuchte Extra-Fassung der Johannes-Passion für Kinder voraus. Da trat Altmeister Johann Sebastian Bach persönlich mit Perücke und barockenem Wams auf und erzählte den Kleinen, wie er die Passion an manchen Stellen spannend machte. Lautmalerisch erklärte er wie nach dem Tod Jesu der Vorhang ritschratsch von oben bis unten zerriß. Da staunte das junge Publikum, das auf diese Weise an ein großes Werk herangeführt wurde. Zur Nachahmung empfohlen.