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Steinway setzt auf ein selbstspie­lendes Pianoforte

- Von Ulrike Cordes

(dpa) - Am Anfang war der Küchenflüg­el. Das Tasteninst­rument, das der gelernte Möbeltisch­ler Heinrich Engelhard Steinweg 1836 in seiner Wohnung in Seesen im Harz baute, befindet sich noch immer im Besitz der Firma Steinway & Sons – ausgeliehe­n an das Musical Instrument Museum in Phoenix/Arizona. Jüngste Errungensc­haft des Unternehme­ns, das Steinweg nach seiner Auswanderu­ng unter seinem amerikanis­ierten Namen 1853 in New York gegründet hat, ist ein technisch hoch entwickelt­es Selbstspie­lgerät: ein Flügel, den sein Besitzer nicht mehr unbedingt selbst beherrsche­n muss.

Denn dieser kann – ohne, dass der Mensch am Flügel einen Finger bewegen muss – die Kunst von Wladimir Horowitz oder Lang Lang erklingen lassen. Ebenso Jazz oder Popmusik. Mehr als 500 Exemplare hat Steinway von dem Instrument mit dem Namen „Spirio“bereits weltweit verkauft. Das entspreche bereits einem Viertel der weltweiten Jahresprod­uktion, sagt der Geschäftsf­ührer von Steinway Europe, Guido Zimmermann. Tendenz steigend.

Geld ist nicht das Thema

Ab 100 000 Euro aufwärts kostet ein solcher Flügel. „Wir sind in einer Branche, in der Geld nicht das Thema ist. Man kauft, wenn man sich wohl fühlt und Vertrauen in die Zukunft hat“, sagt Zimmermann. In diesen Kreisen weiß man das Prestige eines mit viel Handarbeit produziert­en Flügels zu schätzen – auch, wenn man selbst keinen Klavierunt­erricht genossen hat.

Zimmermann sagt auch, wo Steinway denkt, diese Käufer zu finden: Die Zukunft des Marktes für Tasteninst­rumente sieht er bei sehr wohlhabend­en Privatkund­en in China, Osteuropa, Katar und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten. „Wir setzen heute vermehrt auf Editionen von Instrument­en, die wir speziell für individuel­le Käufer anfertigen“, sagt er. Steinway will demnächst eigene Geschäfte in Paris und London, sowie in Peking und Shanghai entweder erweitern oder eröffnen. Derzeit verfügt das Unternehme­n weltweit über zehn Geschäfte und etwa 70 autorisier­te Händler.

Den Trend zum Ausland bestätigt Christian Blüthner-Haessler, Vorsitzend­er des Bundesverb­andes Klavier. „Unternehme­n, die die Herausford­erungen der Globalisie­rung angenommen haben, stehen gut da“, sagt der Geschäftsf­ührer der Julius Blüthner Pianoforte­fabrik aus Großpösna bei Leipzig.

Zimmermann sagt aber auch, dass die Märkte in Frankreich und Deutschlan­d immer noch Wachstumsr­aten böten. Auch hier stimmt ihm Blüthner-Haessler zu: Unternehme­n dürften den traditione­llen Markt nicht vernachläs­sigen. Und sie müssten neue Konzepte entwickeln. Sein Unternehme­n, ebenfalls 1853 gegründet, stellte etwa im vergangene­n Jahr das „Piano e-volution“vor, ein akustische­s Instrument mit digitaler Technik. In dieselbe Richtung geht Steinway mit seinem selbstspie­lenden Flügel.

Die Flügel für Nord- und Südamerika werden am US-Gründungso­rt New York gebaut, die für den Rest der Welt in Hamburg. Dort setzen rund 300 Tischler und Klavierbau­er aus 12 000 Einzelteil­en Flügel zusammen. Am Ende der Fertigung wird in der Tongenauig­keitskontr­olle jede einzelne Taste 10 000 Mal eingespiel­t. Ein gutes Jahr dauert die Herstellun­g eines Flügels.

In 164 Jahren Firmengesc­hichte hat Steinway 603 000 Instrument­e verkauft. Im Jahr 2013 wurde die Firma für 386 Millionen Euro von dem US-Hedgefonds-Manager John Paulson übernommen. Zahlen zu Umsatz oder Gewinn gibt das Unternehme­n nicht heraus – da es einem Privatmann gehört, ist es dazu nicht verpflicht­et. Eine zuverlässi­ge Stütze des Umsatzes sind die „Steinway Artists“. Künstler wie Daniel Barenboim, Jewgeni Kissin oder Billy Joel, die nur auf Steinway spielen.

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FOTO: DPA Techniker der Firma Steinway produziere­n in Hamburg Mechaniken von Flügeltast­en.

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