„Landkreis kann sich keine Ärzte backen“
Bopfingens Ärztesprecher Christian Riethe über Initiativen für medizinische Versorgung
- Angesichts der Schließung der Frauenarzt-Praxis in Bopfingen und dem Praxissterben allgemein denkt Landrat Klaus Pavel darüber nach, unterhalb der neuen Klinikgesellschaft eine Organisation zu gründen, die sich um die Ärzteversorgung auf dem Land kümmert (wir berichteten). Unser Redakteur Bernahrd Hampp hat mit Allgemeinmediziner Dr. Christian Riethe, Sprecher der Bopfinger Ärzteschaft und Vorstandsmitglied der Kreisärzteschaft, über diese Pläne gesprochen.
Der Markt löst es nicht, die Facharztversorgung in der Fläche zu organisieren, sagt der Landrat und schlägt vor, medizinische Versorgungszentren unter Regie des Landkreises zu gründen. Was halten Sie davon?
Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen. Ich glaube aber nicht, dass es der Landkreis einfacher haben wird als die Profis aus der Privatwirtschaft. Die Frauenarztpraxis in Bopfingen hatte guten Zulauf und war bei Patienten wie Ärzten beliebt. Aber diese Versorgungszentren werfen wegen der Rahmenbedingungen oft nicht genug ab, um die entsprechenden Gehälter zu zahlen.
Aber eine vom Landkreis getragene Gesellschaft könnte sich vielleicht eher ein Minus erlauben.
Das könnte sein. Aber auch der Landkreis wird sich keine Fachärzte backen können. Die größte Befürchtung ist, der Landkreis wird auch niemand finden. Am 1. Oktober wäre dann der GynäkologenSitz in Bopfingen dauerhaft weg. Und niedergelassene Ärzte in ein Medizinisches Versorgungszentrum zu integrieren, die bisher selbständig in Einzelpraxen tätig waren, geht wegen der starren Hierarchie nicht. Beim Medizinischen Versorgungszentrum hat immer einer das Sagen. Dazu kommt, dass die zu enge Kooperation von niedergelassenen Ärzten mit nur einer Klinik wegen der Anti-Korruptionsgesetze umstritten ist. Wir Bopfinger Ärzte weisen beispielsweise auch in das Nördlinger Krankenhaus ein, das nur halb so weit entfernt ist wie Aalen und Ellwangen. Wir sind auf Augenhöhe mit den Kliniken.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, die ärztliche Versorgung auf dem Land gemeinschaftlich zu organisieren?
Bei einer Gemeinschaftspraxis kommen alle Gelder in einen Topf – das funktioniert nur dann, wenn es vorher gut festgelegt ist. Bei einer Praxisgemeinschaft rechnet jeder Arzt separat ab, die Praxisgemeinschaft kann aber keine Ärzte anstellen. Aber das ist ja gerade das, was hier wünschenswert ist, denn es ist deutlich einfacher, angestellte Ärzte zu finden als niederlassungswillige. Vor einigen Jahren wurde die Regiopraxis in der Region angedacht, die aber nie zustande gekommen ist. Diese wäre von einer Gesellschaft als gleichberechtigtem Zusammenschluss der niedergelassenen Ärzte geführt worden.
Könnte Bopfingen sich als Ort der Aus- und Weiterbildung etablieren?
Beides ist möglich. Unsere Praxis etwa ist Mitglied im Weiterbildungsverbund Allgemeinmedizin mit dem Ostalb-Klinikum und der Bezirksärztekammer Nord-Württemberg. Die Weiterbildungsassistenten für Allgemeinmedizin, die bei uns in der Praxis weitergebildet werden können in einem Rotationsmodell bei uns die Landarzttätigkeit kennenlernen.
Und die Medizinstudenten?
Auch hier gibt es ein Modell in Zusammenarbeit mit der Universität Ulm, deren Lehrkrankenhaus das Ostalb-Klinikum ist. Im letzten Studienjahr ist das Wahlfach Allgemeinmedizin möglich. Wir sind eine Lehrpraxis der Uni Ulm und ich bin prüfungsberechtigt für das Staatsexamen. Leider ist bisher noch kein Student im praktischen Jahr zu uns aufs Land gekommen. Die bleiben alle in Ulm.
Woran liegt es?
Zum Teil an Vorurteilen. Ein Professor hat offenbar unlängst zu einer Studentin gesagt: Sie wollen Hausärztin auf dem Land werden? Machen Sie das bloß nicht, Sie sind eine gute Studentin, Ihnen stehen alle Türen offen.
Was spricht denn dafür, Arzt in Bopfingen zu werden?
Die wunderschöne Landschaft, die Freizeit- und Betreuungsangebote in der Stadt, die immer besser werden. Die Lebenshaltungskosten sind günstiger als in der Stadt und wir haben einen sehr aktiven Qualitätszirkel für die Fortbildung. Dazu kommen die vielfältigen Aufgaben und der besondere Charme der Landarztmedizin. Man kennt sich – es ist eine richtige Familienmedizin.