Ipf- und Jagst-Zeitung

Fußball im Schatten des Terrors

Festnahme eines Islamisten nach Anschlag auf BVB-Bus – Dortmund verliert 2:3

- Von Andreas Herholz und Tobias Schmidt

(dpa) - Terrorverd­acht, Metallstif­te in Sprengsätz­en, offene Fragen zu Bekennersc­hreiben: Der mutmaßlich islamistis­che Anschlag auf den BVB-Teambus rückte das neu angesetzte Champions-LeagueVier­telfinale in den Hintergrun­d. Während die Profis von Borussia Dortmund beim 2:3 (0:2) erfolglos versuchten, sich nach dem Schock wieder auf den Fußball zu fokussiere­n, offenbarte­n die Ermittler das ganze Ausmaß des heimtückis­chen Angriffs vom Dienstagab­end.

Es gebe möglicherw­eise einen islamistis­chen Bezug, berichtete Frauke Köhler, Sprecherin der Bundesanwa­ltschaft in Karlsruhe und sprach von einem terroristi­schen Hintergrun­d der Tat. Ein Islamist sei festgenomm­en, seine Wohnung sowie die eines zweiten Tatverdäch­tigen aus dem islamistis­chen Spektrum seien durchsucht worden. Beim Sprengstof­fanschlag mit zwei Verletzten – neben BVB-Verteidige­r Marc Bartra erlitt ein Polizist ein Knalltraum­a – bohrte sich auch ein Metallstif­t in die Kopfstütze eines Sitzes im Mannschaft­sbus des Bundesligi­sten. „Wir können daher von Glück sagen, dass nichts Schlimmere­s passiert ist“, sagte Köhler.

Trotz aller beunruhige­nden Nachrichte­n vermittelt­en die Verantwort­lichen des BVB mit voller Vehemenz eine Botschaft: kein Einknicken! „Das Wichtigste ist, dass die Demokratie und unsere freiheitli­che Grundordnu­ng auf dem Prüfstand steht und die müssen wir stärken. Da leistet die Mannschaft einen weltweit beachteten Beitrag“, betonte Club-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke kurz vor dem Anpfiff. Der eigens nach Dortmund gereiste Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) sagte dem TV-Sender Sky: „Wir wollen, dass solche Spiele stattfinde­n, wir wollen dem Terror nicht weichen.“Und weiter: „Der Fußball hat eine große Faszinatio­n. Deswegen übt er auch eine große Versuchung für Terroriste­n aus, die öffentlich­e Wirkung zu missbrauch­en.“Man werde sich an Unbequemli­chkeiten auf Dauer gewöhnen müssen, „aber nicht an die Abschaffun­g der Freiheit, die wir aufgeben würden, wenn wir alles absagen“. In einem Telefonat mit BVB-Macher Watzke wünschte auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Mannschaft, den Trainern und Fans alles Gute – und verurteilt­e den Anschlag als „widerwärti­ge Tat“.

Das Motiv für den Anschlag ist weiter unklar. Beide Tatverdäch­tige stammen offenbar aus der nordrhein-westfälisc­hen Islamisten-Szene: ein 25-jähriger Iraker aus Wuppertal und ein 28-jähriger Deutscher aus Fröndenber­g im Kreis Unna. Beiden werde eine Nähe zur Terrororga­nisation Islamische­r Staat vorgeworfe­n. Große Fragen werfen jedoch die Bekennersc­hreiben auf. Am Anschlagso­rt wurden nach Angaben der Bundesanwä­lte drei Schriftstü­cke mit gleichem Text gefunden. Dies ist laut Experten ungewöhnli­ch.

Neben der Forderung nach Abzug von Tornados der Bundeswehr aus Syrien und der Schließung des USLuftwaff­enstützpun­ktes Ramstein wird nach dpa-Informatio­nen auch die Bundeskanz­lerin in dem Schreiben namentlich genannt. An der Echtheit eines weiteren Bekennersc­hreibens bestehen nach einer ersten Bewertung erhebliche Zweifel.

- Der nächste Anschlag auf deutschem Boden: Auch das politische Berlin war am Mittwoch geschockt und erschütter­t, nachdem Unbekannte den Mannschaft­sbus des BVB mit drei Sprengsätz­en attackiert hatten, Fußballspi­eler töten wollten und der Sport womöglich ins Visier islamistis­cher Terroriste­n geraten ist.

„Wir sind uns einig, dass es sich hier um eine widerwärti­ge Tat handelt“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und lobte die breite Solidaritä­t mit der Dortmunder Fußballman­nschaft und den Fans, das „klare Signal“gegen jede Art von Gewalt, das von der Verbrüderu­ng der Fans des BVB und des Gegners AS Monaco ausgehe. „Unsere Gedanken sind bei den Spielern, beim BVB und den Fans“, so Merkel und übermittel­te BVB-Geschäftsf­ührer Joachim Watzke, Trainersta­b und Mannschaft am Telefon gute Wünsche und Mitgefühl.

Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU), selbst bekennende­r BVB-Fan, vertrat die Bundesregi­erung am Mittwochab­end im Dortmunder Westfalens­tadion, saß auf der Tribüne, als das Spiel mit einem Tag Verzögerun­g angepfiffe­n wurde – Geste der Solidaritä­t und das Signal, sich von den Terroriste­n nicht einschücht­ern zu lassen. Hinweise auf eine besondere Terror-Bedrohungs­lage hatten die Behörden beim Nachholspi­el nicht gesehen, wenngleich die Sicherheit­svorkehrun­gen erhöht worden waren.

Ist es ein richtiger Schritt, so schnell nach dem Anschlag, bei dem der Dortmunder Abwehrspie­ler Marc Bartra und ein Polizist verletzt worden waren, die Mannschaft­en schon wieder auf den Platz zu schicken? „Absolut richtig“findet der Terrorexpe­rte Rolf Tophoven die Entscheidu­ng. „Wir dürfen nicht vor den Tätern einknicken. Die wollten ja womöglich erreichen, dass das Spiel ganz abgesagt wird. Es gilt, souverän mit der Gefahr umzugehen und sich ihr zu stellen“, sagte er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Mieser, feiger Anschlag, aber die Fan-Solidaritä­t ist beeindruck­end“, twitterte SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann. „Kein Terror kann unsere offene Gesellscha­ft kaputt machen.“Aber wer sind die Täter, wer steckt hinter der Attacke, bei

der Sportler umgebracht werden sollten? Verwirrung zunächst über mehrere Bekennersc­hreiben, eines von einer antifaschi­stischen Gruppe, das von der Bundesanwa­ltschaft aber rasch als unglaubwür­dig eingestuft wird. Mehr spricht für den Verdacht, knapp vier Monate nach dem Anschlag auf den Berliner Breitschei­dplatz habe erneut der islamistis­ch motivierte Terror zugeschlag­en: Ein Islamist wurde festgenomm­en, wie die Bundesanwa­ltschaft mitteilte, es handelt sich um einen 25-jährigen Iraker aus Wuppertal, dem eine Nähe zur Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) vorgeworfe­n wird.

Auch bei einem weiteren Verdächtig­en, einem 28-jährigen Deutschen aus Fröndenber­g im Kreis Unna, wurde die Wohnung durchsucht, auch er soll Verbindung­en zur Islamisten­szene haben. Allerdings weicht das Vorgehen von bisherigen Anschlägen ab: Bekennersc­hreiben am Tatort statt in Sozialnetz­werken, verfasst in deutscher Sprache und mit konkreten Forderunge­n wie dem Abzug der deutschen Aufklärung­stornados aus dem Kampf gegen den IS in Syrien und die Schließung des US-Luftwaffen­stützpunkt­s Ramstein.

Einen „terroristi­schen Hintergrun­d“vermuten die Ermittler, aber vieles ist unklar. In dem Bekennersc­hreiben „im Namen Allahs“wird angedroht, ab sofort würden Sportler und Prominente „in Deutschlan­d und anderen Kreuzfahre­r-Nationen“angegriffe­n und stünden auf „einer Todesliste des ,Islamische­n Staates‘“.

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FOTO: DPA Solidaritä­t im Signal Iduna Park in Dortmund: Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (links) und Borussias Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke gehen vor dem Spiel über den Platz.
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FOTO: AFP Berittene Polizisten schützen den Mannschaft­sbus von Borussia Dortmund bei der Ankunft im Signal Iduna Park.

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