Ipf- und Jagst-Zeitung

May geht es um die Macht

- Von Sebastian Borger

Theresa May redet von stabiler Führung und nationalem Interesse, um die Neuwahl am 8. Juni zu begründen. Die britische Premiermin­isterin behauptet, die Bevölkerun­g im Land wachse nach der Spaltung durch das Brexit-Votum zwar wieder zusammen, aber im Parlament herrsche Uneinigkei­t. Die könne sie für die anstehende­n Austrittsv­erhandlung­en nicht brauchen.

Doch diese Argumente stimmen nicht. Die Führung des Landes ist nicht gefährdet. Trotz katastroph­aler Fehlentsch­eidungen, nicht zuletzt ihrem Eintreten für einen harten Brexit, hat May das Austrittsg­esetz unangefoch­ten durchs Unterhaus gebracht. Die Konservati­ven haben dort mit nordirisch­en Unionisten und Unabhängig­en eine stabile Mehrheit. Und dass die parlamenta­rische Opposition der Regierung Widerstand leistet, ist in Demokratie­n schlicht so üblich.

Das Land bleibt gespalten wie eh und je, und ein Wahlkampf wird zur Einigkeit kaum beitragen. Zudem ist Mays Glaubwürdi­gkeit beschädigt, schließlic­h hat sie bisher die Notwendigk­eit einer Neuwahl abgestritt­en. Aber ganz abgesehen davon: Weder heute noch am 8. Juni hat die Wählerscha­ft auch nur eine grobe Vorstellun­g davon, was die Abkehr vom europäisch­en Projekt für die Insel bedeuten wird. Bereits jetzt machen immer mehr Firmen ihre Abwanderun­gspläne öffentlich. Die europäisch­en Agenturen in London bereiten ihren Umzug vor. Der vermeintli­che Zugewinn an Souveränit­ät, auf den die EU-Feinde hofften, hat seinen Preis.

Die Konservati­ve hat für Neuwahlen nur einen einzigen Grund: Ihre Partei liegt in Umfragen um mehr als 20 Prozent vor der zerstritte­nen Labour-Opposition unter dem unfähigen Vorsitzend­en Jeremy Corbyn. Wenn sie mindestens die Hälfte dieses Vorsprungs ins Ziel rettet, wofür fast alles spricht, kann May mit einer erheblich vergrößert­en Fraktion durchregie­ren. Weder Liberaldem­okraten auf der linken noch Ukip auf der rechten Seite stellen eine ernsthafte Gefahr dar. Das Gerede vom nationalen Interesse ist deshalb an Verlogenhe­it kaum zu überbieten. politik@schwaebisc­he.de

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