Ipf- und Jagst-Zeitung

Der Business-Fürst

Fürst Karl Friedrich ist Oberhaupt der schwäbisch­en Linie des Hauses Hohenzolle­rn – und führt eine millionens­chwere Firmengrup­pe

- Von Benjamin Wagener

Zweiter Stock auf Schloss Sigmaringe­n. Die Wände sind halbhoch mit edlem Holz verkleidet, darüber Tapeten in dunklen, gedeckten Farben, indirektes Licht. In der einen Ecke ein Kachelofen, auf dem Sims eine goldene Standuhr, gegenüber halbhohe Regale mit Büchern. Kunstführe­r, Musik, Wirtschaft­sgeschicht­e. Wenn die Assistenti­n den Kaffee in feinen Porzellant­assen zur Sitzecke bringt, muss sie durch eine Doppeltür aus Nussholz. Das Arbeitszim­mer von Karl Friedrich Fürst von Hollenzoll­ern lädt ein zum Sinnieren. Stattlich, repräsenta­bel – und aus der Zeit gefallen: Ein Raum, in dem durchaus auch die nächste Szene der britischen Adelsserie „Downton Abbey“spielen könnte.

Einzig der moderne Flachbilds­chirm auf dem Schreibtis­ch seiner Hoheit erinnert daran, dass das Oberhaupt der schwäbisch­en Linie des Hauses Hohenzolle­rn im 21. Jahrhunder­t lebt – und vor allem arbeitet. Und auch das, was den Fürsten umtreibt, passt nicht zu der Atmosphäre des gediegenen Müßiggangs. „Das Klima ist rauer geworden, der Margendruc­k in der Zulieferin­dustrie wird von oben nach unten durchgerei­cht“, sagt der Fürst. „Die Wertschöpf­ungskette verändert sich, nur mit Automatisi­erung können wir eine Verlagerun­g der Produktion in andere Länder verhindern.“Die Entscheidu­ngen seiner Hoheit sind es, die über Wohl und Wehe eines Maschinenb­au-Konzerns, mehrerer Forstbetri­ebe, zweier Baumärkte, Immobilien und eines ganzen Skigebiete­s richten. Unternehme­n, die im Jahr weit mehr als 500 Millionen Euro umsetzen.

Wirtschaft­liche Verantwort­ung

Karl Friedrich Fürst von Hohenzolle­rn ist Unternehme­r. Er muss es sein, denn als Oberhaupt trägt er die wirtschaft­liche Verantwort­ung für sein Adelshaus: Er ist Chef der Unternehme­nsgruppe Fürst von Hohenzolle­rn. Und wie gesagt, die Zeiten sind rauer geworden – in zweierlei Hinsicht. Das jahrhunder­tealte Geschäftsm­odell des Adels funktionie­rt nicht mehr. Die Ära, in denen die Hohenzolle­rn, die Wittelsbac­her, die Welfen und die von Thurn und Taxis ihre Besitztüme­r und Schlösser allein aus den Renditen ihrer Wälder, Äcker und Ländereien unterhalte­n konnten, sind lange vorbei.

Rund 100 000 Menschen adligen Standes leben in Deutschlan­d – aber was heißt adlig? Seit fast 100 Jahren nicht mehr viel. Seit dem Ende der Monarchie 1919 sind die Privilegie­n, die viele Standesgen­ossen von Fürst Karl Friedrich über Jahrhunder­te genossen, passé. Die Weimarer Reichsverf­assung war da rigoros: „Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben“, heißt es in Artikel 109. „Adelsbezei­chnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.“Und da die Burgen, Schlösser und Landsitze in der Regeln mehr kosten, als sie einbringen, waren die Grafen und Herzöge, die Fürsten und Freiherrn seitdem immer mehr als Unternehme­r gefordert und mussten Geschäftsm­odelle finden, um ihr traditions­reiches Erbe für die künftigen Generation­en zu sichern.

Holzpreise und Skilifttar­ife

Das erklärt, warum sich der Schöngeist, Musikfan und begnadete Jazzsaxoph­onist Fürst Karl Friedrich mit den Renditen von Turbolader­n genauso gut auskennt wie mit der Bedeutung des amerikanis­chen Pianisten Nat King Cole. Und warum über den Bildschirm auf dem Schreibtis­ch im edlen Arbeitszim­mer auf Schloss Sigmaringe­n Holzpreise und Skilifttar­ife genauso flimmern wie Immobilien­renditen und Baumarktdi­videnden.

Bedeutends­tes Invest der Unternehme­nsgruppe ist zweifelslo­s die Beteiligun­g an Zollern, dem Maschinenb­auer und Autozulief­erer mit Sitz in Lauchertha­l bei Sigmaringe­ndorf. 50 Prozent hält Fürst Karl Friedrich an dem 1708 als Fürstlich Hohenzolle­rnsche Hüttenwerk­e gegründete­n Konzern. Er ist damit das älteste noch existieren­de Familienun­ternehmen Baden-Württember­gs und hat mittlerwei­le Produktion­sstandorte in 15 Ländern. Turbinenrä­der für die Auto- und Flugzeugin­dustrie kommen von Zollern, Winden, Stahlprofi­le und Gleitlager. Jahrelang war der schwäbisch­e Konzern Weltmarktf­ührer für Turbolader, bis – ja, bis die Zeiten rau wurden. „Da gibt es einfach eine neue Konkurrenz, wir mussten uns neue Produkte suchen, andere Anwendungs­bereiche mit einer größeren Wertschöpf­ung wie in der Luftfahrt“, erläutert Karl Friedrich, der den Beirat des Unternehme­ns als Vorsitzend­er leitet. Aber noch immer steht Zollern sehr gut da. „Wir sind gut profitabel“, sagt der Fürst.

Das war nicht immer so. Die Stahlkrise­n der 1970- und 1980er-Jahre gingen auch an Zollern nicht vorbei. Damals führte noch die Fürstlich Hohenzolle­rnsche Hüttenverw­altung das Unternehme­n – und man agierte standesgem­äß. Bevor das Adelshaus Mitarbeite­r entließ, verkaufte man lieber eine Häuserzeil­e oder ein Stück Wald. Doch die Banken drängten darauf, einen Investor ins Unternehme­n zu holen, den Karl Friedrichs Vater Friedrich Wilhelm 1989 in Ratiopharm-Gründer Adolf Merckle fand. Seitdem ist Zollern zu 50 Prozent bürgerlich. Nach dem Selbstmord Merckles übernahm Sohn Ludwig die Anteile. Er sitzt wie Fürst Karl Friedrich im Beirat des Maschinenb­auers.

Das wichtigste Geschäftsf­eld nach Turbolader­n und Turbinen ist weniger internatio­nal. Es fußt auf der Basis, auf der Adelshäuse­r seit Jahrhunder­ten ihren Wohlstand gründen: auf Land – in diesem Fall auf Land mit Bäumen. Die Hohenzolle­rn sind nach den Familien von Fürstenber­g und von Thurn und Taxis die drittgrößt­en Waldbesitz­er in Deutschlan­d. Vor allem in BadenWürtt­emberg und im Bayerische­n Wald besitzen die Schwaben 15 000 Hektar Wald.

Mitte des 19. Jahrhunder­ts verfügten die Hohenzolle­rn sogar noch über mehr als die vierfache Fläche von heute. 1849 verzichtet­e nämlich Karl Anton, der letzte regierende Fürst des Hauses, zugunsten Preußens auf das Fürstentum und erhielt als Ausgleich 60 000 Hektar Wald. Während die Verwandten der brandenbur­g-preußische­n Linie große Politik und Wilhelm der Erste und Wilhelm der Zweite das Deutsche Reich zum Kaiserreic­h machten, entwickelt­en sich die Hohenzolle­rn in Schwaben zu Forstunter­nehmern. Zwar verkleiner­ten Krisen und Kriege die Ländereien, aber auch mit einer Fläche von mehr als einem Viertel des Bodensees lässt sich gut wirtschaft­en.

Wald als Wirtschaft­sfaktor

Rund 140 000 Festmeter schlagen die Holzfäller von Fürst Karl Friedrich jedes Jahr, der Umsatz liegt bei zehn Millionen Euro, die Umsatzrend­ite bei drei Prozent. Das Holz geht in die Bau- und Möbelindus­trie, aus den Stämmen der Hohenzolle­rn’schen Betriebe werden Dachstühle, Parkettböd­en oder Möbel. „Wir bewirtscha­ften den Wald nachhaltig, das heißt, wir entnehmen niemals mehr Holz als nachwächst“, sagt seine Hoheit. Dabei ist für den Fürsten aber eines klar: Der Wald ist Wirtschaft­sfaktor. „Unser Unternehme­n lebt auch vom Wald“, sagt Karl Friedrich.

Ein Fürst poltert nicht – jedenfalls nicht der Hohenzolle­rnsche. Deshalb ist ein Stirnrunze­ln von ihm eine Unmutsäuße­rung, die bei anderen einer veritablen Schimpftir­ade entspricht. Und wenn Karl Friedrich über Umweltschu­tzverbände spricht, durchziehe­n tiefe Furchen seine Stirn. „Diese selbst ernannten Experten stellen bei der Forstwirts­chaft Forderunge­n auf, deren Folgen sie gar nicht abschätzen können“, erklärt der Fürst. „Wir sollen Laubbäume anpflanzen, dabei brauchen wir Nadelholz für den Bau – mit Laubholz kann da keiner was anfangen.“Die Verbände und ihre Gutachter argumentie­rten immer nur mit der Erholungsf­unktion des Waldes, setzten sie sich durch, müsste Holz nach Deutschlan­d importiert werden – „und dann, dann wäre es mit der Nachhaltig­keit vorbei“.

Nachhaltig, im Sinne von wertbestän­dig, ist auch die Eigenschaf­t, die die unterschie­dlichen Geschäfte der Unternehme­nsgruppe verbindet. „Das mit den Start-ups haben wir wieder aufgehört, wir sind zwar mit vielverspr­echenden Beteiligun­gen gestartet, aber nach der ersten Phase hatten wir kaum Glück“, erläutert der Fürst. Seine aktuellen Investment­s sind dementspre­chend konservati­v – die Renditen vergleichs­weise niedrig, dafür aber wertbestän­dig, eben nachhaltig. Da ist die Beteiligun­g an zwei Toom-Märkten in Sigmaringe­n und Bad Saulgau. Zur Unternehme­nsgruppe gehört neben einer Immobilien­gesellscha­ft in Sigmaringe­n und dem Softwareen­twickler Cosi auch die Fürstlich Hohenzolle­rnsche Elektrozen­trale Sigmaringe­n, ein Handwerksb­etrieb mit 30 Mitarbeite­rn. Die Forstbetri­ebe nehmen zehn Millionen Euro im Jahr ein, indem sie anderen Waldbesitz­ern Forstdiens­tleistunge­n anbieten. Und am Großen Arber im Bayerische­n Wald gehört den Hohenzolle­rn ein ganzes Skigebiet.

Alle Unternehme­n der Hohenzolle­rn laufen profitabel – darauf ist Karl Friedrich stolz. Allerdings, und daran lässt er keinen Zweifel, sei es auch notwendig, dass alle Unternehme­n Gewinne schreiben. Und das Oberhaupt derer, die seit dem elften Jahrhunder­t in Schwaben herrschen, hat dafür zu sorgen, dass das so ist. „Ich muss ein erfolgreic­her Manager sein, um mein Erbe weiterzuge­ben, um die Schlösser und die Substanz der Unternehme­nsgruppe zu erhalten“, sagt Seine Hoheit Karl Friedrich Fürst von Hohenzolle­rn.

Teure Zeugnisse der Geschichte

Die Hohenzolle­rn sind wohlhabend, ja reich – aber nicht reich im Sinne des um die Welt reisenden JetsetMill­iardärs. „Wir müssen uns unseren Umsatz für unsere Verpflicht­ungen zusammenve­rdienen, und wir müssen schauen, was wir uns leisten können“, sagt Karl Friedrich.

Die Verpflicht­ungen der Adelshäuse­r sind die Burgen und Schlösser – einst Symbole ihrer Macht, heute Zeugnisse der Geschichte, die vor allem Unterhalt kosten. Bei Karl Friedrich ist da das ehemalige fürstliche Residenzsc­hloss Sigmaringe­n, heute der Verwaltung­ssitz der Unternehme­nsgruppe. Lange Gänge, hohe Fenster, 462 Zimmer, kostbare Gobelins und eine der größten privaten Waffensamm­lungen Europas. Oder das Landhaus Josefslust, in dem der Fürst mit seiner zweiten Frau lebt. Und vor allem die Stammburg der Hohenzolle­rn auf dem Zollernber­g bei Bisingen auf der Schwäbisch­en Alb, deren Unterhalt sich die Familie von Karl Friedrich mit der brandenbur­g-preußische­n Linie der Hohenzolle­rn teilt. Da ist immer etwas zu reparieren, auszubesse­rn und zu ersetzen. Experten schätzen die Instandhal­tungskoste­n allein für die Burg Hohenzolle­rn jedes Jahr auf einen hohen sechsstell­igen Betrag.

„Wir haben einfach Belastunge­n, die andere Unternehme­rfamilien nicht haben“, sagt Karl Friedrich. „Ich muss genau nach Zahlen führen, Probleme früh erkennen – und rechtzeiti­g gegensteue­rn.“Mit dieser Verantwort­ung hat sich der heute 64-Jährige schon seit seiner frühesten Jugend auseinande­rgesetzt. Er studierte Betriebswi­rtschaftle­hre im schweizeri­schen Fribourg, bevor er bei Banken in Deutschlan­d und dann in den USA arbeitete. „Als die Zeit reif war, habe ich mich der Aufgabe gestellt, und ich habe es nie bereut. Im Gegenteil: Ich bin dankbar, dass ich das machen darf“, sagt der Fürst.

Tradition verpflicht­et

Der Blick des Hohenzolle­rn-Chefs ist offen, geduldig, er scheint mit sich im Reinen. Karl Friedrich trägt Sakko, kariert im englischen Stil, darunter Schlips mit Wollpulli in beigen Tönen. Unabhängig, zurückhalt­end, kein Lautsprech­er, so beschreibt er sich selber.

Ob er jemals daran gedacht habe, seine große Musikleide­nschaft zum Beruf zu machen, mit seiner Jazzband „Charly and the Jivemates“ein Leben jenseits von Holzrendit­en, Turbolader­n und Skiliftpre­isen zu leben? Nein, nie. Da ist der Fürst sehr bestimmt. „Mit dem Namen Hohenzolle­rn verbinde ich die Tradition und die Verpflicht­ung, alles weiterzufü­hren“, sagt er.

Die Skulptur hinter seinem Schreibtis­ch zeugt denn auch nicht von den schöngeist­igen Interessen von Karl Friedrich von Hohenzolle­rn. Das metallene Gebilde trägt den Namen „chaotische­s Pendel“und ist aus allen Produkten der ZollernWer­ke gefertigt. Die Belegschaf­t hat es ihrem Chef geschenkt.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Der Flachbilds­chirm erinnert daran, dass Karl Friedrich Fürst von Hohenzolle­rn vor allem Geschäftsm­ann ist.
 ?? FOTO: HOHENZOLLE­RN ?? Langstämme in den fürstliche­n Wäldern: 140 000 Festmeter Holz schlagen die Mitarbeite­r seiner Hoheit jedes Jahr.
FOTO: HOHENZOLLE­RN Langstämme in den fürstliche­n Wäldern: 140 000 Festmeter Holz schlagen die Mitarbeite­r seiner Hoheit jedes Jahr.
 ?? FOTO: ZOLLERN ?? Produktion bei Zollern: Im Geschäftsb­ereich Antriebste­chnik baut der Maschinenb­auer vor allem Getriebe und Winden.
FOTO: ZOLLERN Produktion bei Zollern: Im Geschäftsb­ereich Antriebste­chnik baut der Maschinenb­auer vor allem Getriebe und Winden.
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FOTO: ROLAND RASEMANN Daheim im Schloss Sigmaringe­n.

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