Im Gespräch bleiben
Am türkisch-europäischen Dilemma hat das von Recep Tayyip Erdogan gewonnene Referendum nichts geändert. Die Botschaft des türkischen Präsidenten lautet: Ich kann tun und lassen, was ich will – Europa braucht die Türkei mehr als umgekehrt. Dieser Erpressung nachzugeben, die Beitrittsgespräche immer weiter voran zu schleppen, war von Anfang an ein Fehler. Die Europäer wollen mehrheitlich keine Erweiterung der EU um die Türkei. Und im derzeitigen Erdoganfieber dürfte dies wohl auch eine Mehrheit der Türken so sehen.
Alle Beteiligten wissen, dass die Eröffnung neuer Verhandlungskapitel eine Schmierenkomödie ist. Die EU muss ihre eigenen Außengrenzen in Ordnung bringen und darf sich die Drecksarbeit nicht länger von der Türkei abnehmen lassen.
Doch die EU muss andere Wege finden, mit der türkischen Regierung im Gespräch zu bleiben. Deshalb fiel die Reaktion der meisten Regierungschefs und des EU-Kommissionspräsidenten auf das Referendumsergebnis und auf mögliche Unregelmäßigkeiten während der Stimmabgabe auffällig zurückhaltend aus.
Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß, dass sie zum Beispiel dem Journalisten Deniz Yücel besser helfen kann, wenn die Gesprächskanäle zwischen Ankara und Berlin offen bleiben. Und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist überzeugt, dass das Austarieren von Kritik, in Aussicht gestellten Subventionen und Gesprächen auf allen politischen Ebenen mehr Einflussmöglichkeiten bietet als ein Schlussstrich unter eine unendliche Geschichte – so befriedigend die Vorstellung auch sein mag, dem selbstgefälligen Sultan Erdogan krachend die Tür zur Europäischen Union vor der Nase zuzuschlagen.