Ipf- und Jagst-Zeitung

Geschäftsm­odell Deutschlan­d in der Kritik

- Von Michael Braun, Frankfurt

Die Weltwirtsc­haft läuft nicht ohne Risiken. Sie liegen vor allem im Protektion­ismus, also in der Gefahr, den freien Handel einzuschrä­nken, und in steigenden Zinsen. Dennoch hat der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) seine Wachstumsp­rognose für 2017 leicht von 3,4 auf 3,5 Prozent angehoben. Deutschlan­d traut der IWF ein ebenfalls leicht von 1,5 auf 1,6 Prozent erhöhtes Wachstum zu. Für Frankreich und Italien sagen die Ökonomen Wachstumsr­aten von 1,4 und 0,8 Prozent voraus.

Was gut klingt, kann deutschen Vertretern den Auftritt auf internatio­nalem wirtschaft­spolitisch­em Parkett aber erschweren. Denn die gute wirtschaft­liche Lage Deutschlan­ds und seine ökonomisch­en Perspektiv­en werden nicht nur mit Bewunderun­g zur Kenntnis genommen. Es sind wieder einmal die hohen Außenhande­lsund Leistungsb­ilanzübers­chüsse Deutschlan­ds, die die Handelspar­tner aufregen.

Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stelle sich auf Kritik schon ein, sagte ein Regierungs­sprecher in Berlin, wenn er sich von morgen bis zum Samstag mit seinen Kollegen aus den 20 größten Industrieu­nd Schwellenl­ändern in Washington treffe. Immerhin habe selbst die Regierung von Donald Trump Deutschlan­d zuletzt nicht als „Währungsma­nipulator“eingestuft, also nicht unterstell­t, es mit einer künstlich niedrigen Währung auf Preisvorte­ile außerhalb des Euro-Raums anzulegen.

Acht Prozent sind zu viel

Dafür hatte aber Christiane Lagarde, die Exekutivdi­rektorin des IWF, in einem Interview mit mehreren europäisch­en Zeitungen gesagt, es sei legitim für ein Land wie Deutschlan­d mit seiner alternden Bevölkerun­g, wenn es nach einem Überschuss trachte. Aber acht Prozent der gesamtwirt­schaftlich­en Leistung seien zu viel, die Hälfte genüge auch. Auch der französisc­he Präsidents­chaftsbewe­rber Emanuel Macron, der eigentlich einen mutigen europafreu­ndlichen Wahlkampf führt und bei einem Berlin-Besuch auf enge Zusammenar­beit mit Deutschlan­d aus war, hat sich zuletzt kritisch geäußert. Die deutsche Exportstär­ke hat er „nicht mehr tragbar“genannt.

Die Klagen über Deutschlan­ds Exportstär­ke sind nicht aus den Fingern gesogen. Die langen Zahlenreih­en des Statistisc­hen Bundesamte­s zur „Gesamtentw­icklung des deutschen Außenhande­ls“umfassen mittlerwei­le 67 Jahre, von 1950 bis 2016. Nur zwei davon zeigen einen Importüber­schuss. Das waren die Jahre 1950 und 1951, also fast noch Nachkriegs­jahre. Seitdem gibt es nur Exportüber­schüsse. Anfangs (1952) heute kümmerlich wirkende 361 Millionen Euro, 2016 gut 252 Milliarden Euro. Inzwischen ist vom „Geschäftsm­odell Deutschlan­d“die Rede. Das besteht kurz gesagt darin, der Welt die qualitativ hochwertig­en Industriew­aren aus Deutschlan­d zu verkaufen, wenn es sein muss, wie in China, mit immer höherem Anteil an lokaler Fertigung, aber am liebsten auf dem Weg des Exports, also daheim produziere­n, und im Ausland verkaufen. Und das nur unter Einsatz unbedingt notwendige­r Importe.

Kreditgebe­r Deutschlan­d

Natürlich muss niemand Autos und Medikament­e, Maschinen und Kraftwerke in Deutschlan­d kaufen. Aber die Qualität wird geschätzt, der Service, vor allem des Maschinen- und Anlagenbau­s, auch. Den Rest zum beständig guten Ruf von „Made in Germany“steuern findige Ingenieure, umtriebige Unternehme­r, gut ausgebilde­te Facharbeit­er und ein Lohnniveau bei, das alles in allem wettbewerb­sfähig ist. Nichts also, für das man sich schämen müsste.

Aber zumindest wirkt das auf Exportüber­schüsse angelegte Geschäftsm­odell Deutschlan­d unbekümmer­t. Denn natürlich häuft ein Land, das mehr verkauft als es einkauft, Überschüss­e an. Die können in – hoffentlic­h sinnvollen – Auslandsin­vestitione­n abgemilder­t werden. Aber einen Ausgleich hat Deutschlan­d selten geschafft. Letztlich hat also die deutsche Volkswirts­chaft ihren Kunden Kredit gewährt. Darin liegt die Verantwort­ung des „Geschäftsm­odells Deutschlan­d“: Wer beständig mehr verkauft als kauft, muss penibel auf die Kreditwürd­igkeit der Kundschaft achten.

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FOTO: AFP IWF-Chefin Christine Lagarde hat Deutschlan­d zu mehr Investitio­nen aufgerufen.

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