„Ein Autor, von dem noch viel kommt“
Stefan Kister hält am Samstag die Laudatio auf Schubart-Preisträger Saša Stanišic
- Stefan Kister, im Kulturressort der Stuttgarter Zeitung für die Literatur zuständig, wird am Samstag Laudator sein, wenn in der Aalener Stadthalle der Schubart-Literaturpreis der Stadt Aalen an den deutsch-bosnischen Schriftsteller Saša Stanišic für seinen Erzählband „Fallensteller“verliehen wird. Unser Redakteur Ansgar König hat sich mit Kister darüber unterhalten, wie die Wahl auf den in Hamburg lebenden Saša Stanišic fiel, wie die Jury arbeitet und welchen Stellenwert der mit 15 000 Euro dotierte SchubartLiteraturpreis in Deutschland genießt.
Herr Kister, Sie haben Saša Stanišics Erzählband kürzlich beschrieben als „Falle und Fang: Er legt für den Leser Köder aus, um ihn zu verführen“. In welcher Weise hat Stanišic Sie und die Jury verführt?
(lacht). Man darf das Wort „verführen“jetzt nicht so verstehen, also ob man etwas tut, was man nicht möchte. Diese Metaphorik ist wohl eher den Titel „Fallensteller“geschuldet. Aber bei Stanišic treten Gestalten auf, Gaukler, Zauberer, Trickser, die das Dürftige ins Erfüllte verwandeln. Ich persönlich war nicht verführt, sondern hingerissen von diesem Autor, von jedem seiner zwei Romane, von seiner sprachlichen Lebendigkeit, von seiner Agilität, die es dem Leser erlaubt, Dinge neu, mit neuer Qualität und neuer Perspektive zu erfahren. Stanišic ist ein Autor, von dem noch viel kommen wird.
Wo liegen die Parallelen zu Schubart, den Stanišic als „großartigen Kauz“bezeichnet?
Gute Literatur hat immer etwas mit Aufklärung, mit Freiheitsstreben zu tun. Schubart ist ein vielseitiger Autor, der sein Werk teils dunklen biografischen Erfahrungen abgerungen hat. Das verbindet ihn mit Stanišic. Mehr dazu an Samstag bei der Preisverleihung.
Wer sitzt in der Jury? Wie arbeitet sie?
In der Jury sitzen professionelle Literaturkritiker, ein Literaturwissenschaftler und ein Oberstudiendirektor, namentlich Verena Auffermann, Michael Kienzle, Irene Nießen, Ulrich Rüdenauer, Michael Weiler aus Aalen und ich. Wir machen in einer ersten Sitzung Vorschläge für den Haupt- und Förderpreis und erstellen eine Shortlist mit rund zehn Titeln, auf die wir uns einigen konnten. Dann wird gelesen. In einer zweiten Runde wird dann so lange diskutiert, bis die Preisträger feststehen. Im Falle des Förderpreises für Isabelle Lehn fiel diese Entscheidung leicht, es ist einfach ein tolles Debüt. Im Falle des Hauptpreises war’s etwas schwieriger, am Ende haben wir uns aber einstimmig auf Stanišic geeinigt.
Den Schubart-Literaturpreis der Stadt Aalen gibt es seit 1955 – mit ständig steigendem Preisgeld. Seit 2016 ist er mit 15 000 Euro dotiert. Sie sitzen in den Jurys für mehrere solcher Preise. Wie ordnen Sie den Aalener Literaturpreis ein? Und was bedeutet er für den Preisträger?
Da muss man sich erst einmal die Frage stellen: Was ist das Profil des Preises? Wir hatten sehr viele prominente Namen. Wir mussten abwägen, ob wir einem etablierten, viel bepreisten Namen einen weiteren Preis hinzufügen, oder ob es lohnender ist, einen großen Namen zu würdigen, den noch nicht alle auf der Liste haben. Da liegt Saša Stanišic ziemlich gut in der Mitte. Für Autoren sind solche Preise von elementarer Bedeutung. Ein Preis kann durch den Glanz seiner Preisträger gewinnen, aber eben auch andersrum. Für Buchpreise in Deutschland gibt es sicher kein Ranking, aber in der Skala der wichtigen deutschen Buchpreise nimmt der Schubart-Preis, einer der ältesten Literaturpreise Baden-Württembergs, eine vordere Stellung ein. Der Wert eines Preises misst sich sicher auch daran, wer in den Jahren so alles ausgezeichnet wurde. Die Liste der Preisträger der vergangenen Jahre kann sich sehen lassen.