In der Welt eines Tatortanalytikers
Profiler Axel Petermann tritt am 22. April in der Abtsgmünder Zehntscheuer auf
(an) - Abgründig und spannender als jeder Krimi: Das verspricht Axel Petermann für seinen Auftritt am Samstag, 22. April, um 20 Uhr in der Abtsgmünder Zehntscheuer. Der 64-Jährige gilt als bekanntester Tatortermittler Deutschlands. In 1000 Todesfällen hat er bei der Bremer Mordkommission ermittelt. Den Fernsehzuschauern ist er durch Serien wie „Autopsie – Der Profiler“und „Schnapp dir das Geld“bekannt.
In „Schnapp dir das Geld“hatten zwei Personen eine Stunde Zeit, einen Geldkoffer mit 30 000 Euro Inhalt zu verstecken. Anschließend wurden sie 30 Stunden lang festgesetzt und verhört. Hatten sie und die echten Ermittler an ihrer Seite nicht herausgefunden, wo der Koffer ist, konnten die Kandidaten das Geld behalten. Hat jemand, der unvorbereitet in so eine Situation kommt überhaupt eine Chance gegen professionelle Ermittler?
Petermann: Natürlich waren die Kandidaten nicht chancenlos, das Geld zu behalten – wenn sie sich ein wenig Zeit genommen und genau das Versteckspiel geplant hätten. Im Prinzip war es für sie eine vergleichbare Situation mit dem Verhalten „wahrer Täter“. Letztendlich sind viele von ihnen der Anspannung, ein Verbrechen begangen zu haben, nicht gewachsen. Sie sind überfordert und begehen Fehler, hinterlassen Spuren, die auf sie hinweisen. Und genau dies geschah auch bei den Kandidaten.
Immer häufiger werden Fälle aufgeklärt, die zum Teil Jahrzehnte alt sind, wie zum Beispiel der des Maskenmannes. Inwieweit tragen dazu verbesserte technische Möglichkeiten sowie ausgebildete Profiler bei, die auch nach Jahrzehnten Druck auf die Täter aufbauen können?
Petermann: In den letzten zwei, drei Jahrzehnten ist es zu einem Quantensprung bei der Identifizierung von Spuren am Tatort gekommen. Ich denke da insbesondere an das Automatisierte-Fingerabdruck-Identifizierungs(AFIS), das auf der Codierung der anatomischen Merkmale, die im Fingerabdruck abgebildet sind, basiert. Das System kann die anatomischen Merkmale nach der Digitalisierung durch Einscannen der Fingerabdruckblätter oder (Tatort-) Spuren automatisch erkennen und mit dem Code der abgespeicherten Fingerspuren vergleichen. Durch die Entdeckung der Desoxyribonukleinsäure (DNS) und die Nutzung für die Kriminalistik können selbst minimale Mengen von serologischen Spuren wie Epithelien (Hautschüppchen) oder Körperflüssigkeiten einem bestimmten Menschen zugeordnet werden und ihn somit identifizierbar machen. Fallanalytiker oder Profiler haben bei der Analyse eines Tatgeschehens einen anderen Ansatz als der klassische Ermittler. Während diese nach einem Verbrechen in der Regel sofort auf der Spur arbeiten, also mit den Spuren am Tatort, durch Vernehmungen und Hinweise aus der Öffentlichkeit den Täter identifizieren und überführen wollen, verfolgt ein Profiler einen anderen Ansatz: Er sucht die Spur hinter der Spur. Bei ihm geht es um die Interpretation von Täterentscheidungen, die das Bedürfnis – oder das Motiv – des Täters zeigen. Über die Rekonstruktion des Tatgeschehens, die Motivbestimmung soll die Persönlichkeit oder das Profil des Verbrechers bestimmt und so die Frage beantwortet werden, wie man sich den Menschen vorstellen muss, der so etwas tut.
Unter einem Profiler stellt man sich einen eiskalten Anzugträger vor. Sie dagegen sind vom Typ her sehr ruhig, immer freundlich. Sind diese Eigenschaften auch Teil Ihres Erfolges?
Petermann: Ich kenne viele freundliche Ermittler oder Profiler. Aber vielleicht hängt der Erfolg auch davon ab, wie man sich dem Täter gegenüber verhält. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man Täter und ihre Motive verstehen sollte, was aber nicht heißt, dass man für ihr Tun auch Verständnis zeigen sollte. Aber auf den Menschen eingehen, zuhören können, Perspektiven für die Zeit nach der Strafe aufzeigen, ist sicherlich letztendlich erfolgreicher als Grenzen aufzubauen und die Taten zu verdammen. Wer vertraut sich schon jemanden an, der sich nur negativ verhält? So ist es doch im wahren Leben auch: demjenigen, der auf unsere Probleme eingeht und einfühlsam reagiert, vertrauen wir unsere Sorgen an.
Welche Fälle haben Sie am meisten berührt?
Petermann: Es sind mehrere Fälle, die mich noch heute beschäftigen: die junge Frau, die in einer Tiefgarage von einem sadistischen Täter überfallen und erstochen wurde. Mein erster Mord, bei dem der Täter das Opfer verstümmelte und in einem Plastiksack auf einem Schulhof ablegte, zwei erschossene Frauen in einer Nacht – die beiden Tatorte 60 Kilometer voneinander entfernt, das Mädchen Adelina, das an ihrem ersten Ferientag von einem Sexualtäter ermordet wurde.
Sie haben mit unglaublich schrecklichen Schicksalen zu tun. Kann man sich als Tatortanalyst überhaupt davor schützen, das Erlebte von sich fernzuhalten?
Petermann: Ich habe lernen müssen, mich nicht zu sehr mit dem Leid der Opfer auseinanderzusetzen. Das klingt jetzt hart und unnahbar, doch ich brauche diese Distanz, um mich mit den Verbrechen sachlich auseinanderzusetzen. Zu viel Nähe zum Opfer oder den Angehörigen, kann meinen unvoreingenommenen Blick auf das Tatgeschehen und die Wahrheit beeinflussen.
Was erwartet die Zuschauer bei Ihrem Aufritt in Abtsgmünd?
Petermann: Den Zuschauer erwartet ein aus meiner Sicht spannender Abend. Ich werde über meine Arbeit als Mordermittler und Fallanalytiker berichten, aus meinen Büchern lesen, hoffentlich viele Fragen aus dem Publikum beantworten und einen Tatort inszenieren, um so zu erklären, weshalb ein Tatort „spricht“– wenn man denn die Spuren der Tat zu lesen weiß. Tickets gibt es im Vorverkauf bei der Gemeindekasse, Telefon 07366 / 8225.