Wider Trauma und Statistik
Beim BVB haben sie vor dem Rückspiel in Monaco einen Hoffnungsträger ausgemacht
(SID/dpa/sz) - Die Aufgabe wäre auch ohne diesen unmenschlich schweren Rucksack – das Attentat auf Mannschaft und Trainerteam – schon schwer genug. Rein statistisch hat Borussia Dortmund so gut wie keine Chance, nach dem 2:3 im Hinspiel heute beim AS Monaco (20.45/ZDF und Sky) noch das Halbfinale der Champions League zu erreichen. In der bisherigen Geschichte des Wettbewerbs gelang es erst zwei Mannschaften in der K.o.-Phase, nach einer Heimniederlage noch in die nächste Runde einzuziehen.
Im Achtelfinale 2010/11 war der FC Bayern München Leidtragender, als er gegen Inter Mailand trotz eines 1:0-Erfolgs in Italien vor eigener Kulisse mit 2:3 unterlag. Im Halbfinale 1995/96 wendete Ajax Amsterdam nach einem 0:1 daheim das drohende Aus dank eines 3:0-Auswärtsieges bei Panathinaikos Athen noch ab. Die Dortmunder Statistik verheißt noch weniger Gutes. Bei insgesamt sechs Duellen in allen UEFA-Wettbewerben, in denen der BVB das Hinspiel zu Hause verlor, folgte am Ende auch der Knock-out. Beim letzten Mal – in der ersten Runde des UEFA-Pokals 2008/09 – war Dortmund aber kurz davor, das Blatt noch zu wenden. Dem 0:2 in Dortmund folgte ein 2:0 bei Udinese Calcio. Im Elfmeterschießen unterlag der BVB aber mit 3:4.
Doch bei Borussia Dortmund hat sich vor dem bereits dritten Spiel seit dem Anschlag vor einer Woche eine allgemeine Jetzt-erst-recht-Stimmung breitgemacht. Im insgesamt 100. Champions-League-Spiel möchte sich die Mannschaft den Traum vom Halbfinale doch noch erfüllen. „Wir sind keine Träumer. Wir wissen, dass die Chance nicht sehr groß ist – aber es ist eine da“, sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vor dem Abflug in Richtung Côte d'Azur.
Der große Hoffnungsträger beim französischen Spitzenklub heißt dabei Marco Reus. „Sein Ausfall hat unendlich geschmerzt. Er ist ein ganz wichtiger Faktor. Er verändert unser Spiel alleine durch seine Anwesenheit“, sagte Trainer Thomas Tuchel. Reus hatte gegen Eintracht Frankfurt (3:1) nach sechswöchiger Verletzungspause mit seinem dritten Saisontor ein erfolgreiches Comeback gegeben. Reus soll, wenn möglich, über die komplette Spielzeit zum Einsatz kommen. Schon einmal feierte Reus nach langer Verletzungspause ein glänzendes Comeback in der Champions League. Beim 8:4Gruppensieg über Warschau traf er zweimal und bereitete zwei weitere vor. „Es ist erst Halbzeit. Wir liegen 2:3 zurück. Wir haben den Glauben noch nicht verloren“, sagte Tuchel.
Der beinahe fatale Anschlag ist naturgemäß noch lange nicht aus den Köpfen der Beteiligten, also versuchen sie bei den Dortmundern erst gar nicht, das Thema irgendwie wegzuschieben. „Die Mannschaft hat fast Übermenschliches geleistet. Daraus wird sie Kraft ziehen“, sagte Watzke, allerdings weiß er auch: „Die Chance zum Weiterkommen ist sehr stark reduziert, das ist keine normale Runde. Deshalb haben wir keine Erwartungshaltung.“
Keeper Bürki, der am Wochenende zugegeben hatte, noch immer jede Nacht aufzuschrecken, sieht mittlerweile sogar einen Vorteil darin, dass der Mannschaft nicht einmal ein Moment zum Innehalten gegeben wurde. Weder von der UEFA, noch von der eigenen Clubführung, die das Spiel einen Tag später nachholen ließ. „Es ist gut, dass wir einen so engen Spielplan haben und ich nicht auf der Couch sitzen und immer daran denken muss, was passiert ist“, sagte der Torhüter der „Bild“.