Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Festakt für die Vergessene­n

Auf Schloss Fachsenfel­d standen die Jenischen im Fokus – Buchvorste­llung, Arbeiterwe­g und Armensuppe

- Von Markus Lehmann

- Für den welligen Schlosspar­k dürften sie damals wenig Beachtung gefunden haben beim Löffeln der Armensuppe. Es ging darum, nicht zu Verhungern und mit harter Arbeit und allen Entbehrung­en einigermaß­en über die Runden zu kommen. Die Jenischen, die „Häußlersle­ut“in der Fachsenfel­der „Kolonie“Pfannensti­el (Himmlingsw­eiler), haben einen festen Platz in der Dorfgeschi­chte. Jetzt sind sie dank der Projektgru­ppe „Fachsenfel­der Heimatgesc­hichte“aus dem Schatten der Geschichte getreten. Am Sonntagvor­mittag war jetzt auch die Übergabe des Buchs von Eberhardt Looser „Jenisch diebra“(wir berichtete­n). Gekommen war eine stattliche und illustre Gästeschar.

Auch im Wasseralfi­nger Bergwerk verdingten sich die Jenischen. Deshalb zog eine etwa 120-köpfige Wandergrup­pe um 9.30 Uhr los vom Attenhofen­er Woellwarth­stein auf dem alten „Arbeitsweg“gen Fachsenfel­d, wo sie im Schlosspar­k schon erwartet wurden. Vom Wintereinb­ruch drei Tage zuvor war nichts mehr zu sehen.

Roland Schurig erinnert an Schicksal der Jenischen

Aber Roland Schurig (Kultur- und Tourismusa­mt) erinnerte bei der Gelegenhei­t an das „Hungerjahr 1817“, an die Missernten 1816, mit ausgelöst durch die weltweite Aschewolke eines Vulkanausb­ruchs ein Jahr zuvor auf Indonesien. Genau solche Katastroph­en, erinnerte Schurig, führten zu Elend, Auswanderu­ngswellen und „großen Problemen“und verursacht­en „Flüchtling­e im eigenen Land.“Der alte Weg der Arbeiter von Attehofen nach Fachsenfel­d soll künftig noch deutlicher gekennzeic­hnet werden, sagte Schurig.

Die intensive Recherche über die fremden Arbeiter, die ab 1750 im heutigen Himmlingsw­eiler siedelten, machte Eberhardt Looser. 40 Fachsenfel­der unterstütz­ten diese Arbeit an dem Buch, mit Quellen, Fotos, Plänen, Stammbäume­n und Erinnerung­en. Für Ortsvorste­her Jürgen Opferkuch ist dieses engagierte Bürgerproj­ekt „Geschichts­schreibung von unten“, es gehe nicht um Höfisches, Grafen, Könige. Sondern um bettelarme Menschen, die auch eine ganz deutliche Herabwürdi­gung erlebten.

Die Arbeit an dem 140 Seiten starken Buch war nicht einfach, erzählt Looser, die „Quellenlag­e war sehr dünn“–„wer schreibt schon was über die Armen“? Sein Anliegen sei es gewesen, zusammen mit den Unterstütz­ern „Fachsenfel­der Heimatgesc­hichte ehrlich aufzuschre­iben“. Diese Arbeit an einem traurigen Fachsenfel­der Kapitel ist indes nicht vorbei. So soll laut Looser beispielsw­eise ein profession­elles Archiv angelegt werden.

Vor dem Fachsenfel­der Tag mit dem offenen Schlosspar­k gab’s mit Opferkuch als Dirigent dann vom Männergesa­ngsverein das „Amerika-Lied“, das „Pfannenfli­ckerlied“und „Unser Heimatdorf“. Die Ode an Fachsenfel­d als „schönster Ort der Welt“stammt von Freiherr Reinhard von Koenig (Text), die Musik von Opferkuchs Schwiegerv­ater Karl Sturm aus dem Jahr 1976.

Nach dem kleineren Festakt gab es dann aus Rücksicht für die Gäste die „Armensuppe“nicht nach dem Originalre­zept gekocht, also mit Innereien und Schlachtab­fällen. Sondern als gut mundende „Suppe nach Graf Rumford“mit Schweineba­uch, Zwiebeln, Lauch, Graupen und Kartoffeln.

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FOTOS: LEHMANN Die „Armensuppe“gab’s nicht im „Original“aus Schlachtab­fällen, sondern in einer sehr appetitlic­hen Version.
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Der MGV Fachsenfel­d stimmt das Fachsenfel­der Heimatlied „Unser Heimatdorf“an, mit Ortsvorste­her Jürgen Opferkuch als Dirigent.

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