Ipf- und Jagst-Zeitung

Baufinanzi­erung mit Entschuldu­ngsturbo

Volltilger­darlehen schließen für den Kreditnehm­er das Zinsrisiko einer Anschlussf­inanzierun­g aus

- Von Max Geißler

RAVENSBURG - Baufinanzi­erungsexpe­rten raten, die extrem niedrigen Kreditzins­en langfristi­g festzuschr­eiben. Das sichert günstige Konditione­n und minimiert Finanzieru­ngsrisiken. Doch ausgedehnt­e Kreditlauf­zeiten verzögern die Entschuldu­ng und summieren die Zinslast. Wer es sich leisten kann, der sollte zügig tilgen und die Kreditkost­en im Zaum halten. Besonders effektiv sind Volltilger­darlehen.

Was ist das?

Volltilger­darlehen funktionie­ren ähnlich wie klassische Baudarlehe­n mit Zinsbindun­g, fester Monatsrate und fixer Tilgung. Der wesentlich­e Unterschie­d: Am Kreditende verbleibt keine Restschuld. Bei Auslaufen der Zinsbindun­g sind Kreditnehm­er schuldenfr­ei. „Damit wissen Haushalte von Anfang an, wie lange sie zahlen müssen und welche Kosten insgesamt auf sie zukommen“, sagt Thomas Hein, Leiter Partnerver­trieb bei der ING-DiBa.

Im Zinstief sind Volltilger­darlehen besonders lohnenswer­t, denn die Tilgung kann höher ausfallen als sonst. Mit aktuellen Kreditzins­en ab 1,5 Prozent ist es durchaus möglich, sechs oder sieben Prozent der Darlehenss­umme pro Jahr zurückzuza­hlen. Bei drei- oder viermal so hohem Zinsniveau schaffen das nur wenige Haushalte.

Tilgungstu­rbo mindert Kosten

Bei klassische­n Baudarlehe­n ist wegen der notwendige­n Anschlussf­inanzierun­g anfänglich nicht klar, wie lange die Gesamtfina­nzierung dauert. Anders bei Volltilger­darlehen: „Hier bestimmt der Immobilien­käufer von vornherein, wann er schuldenfr­ei sein möchte. Dies kann in zehn, zwölf oder fünfzehn Jahren sein“, erklärt Hein.

Um termingere­cht auf null zu kommen, müssen Tilgungssa­tz und Kreditrate passgenau aufeinande­r abgestimmt sein. Die Komplettti­lgung bringt mehrere Vorteile: Sie verkürzt die Kreditlauf­zeit, verringert die Zinskosten und senkt das Ausfallris­iko. Banken honorieren die geringere Ausfallwah­rscheinlic­hkeit mit Zinsnachlä­ssen von 0,1 bis 0,5 Prozent. Ein Volltilger­darlehen über 200 000 Euro kostet so laut ING-DiBa nicht einmal halb so viel Zinsen wie ein klassische­s Baudarlehe­n und ist viel schneller abgezahlt.

Hohe finanziell­e Belastung

Um zügig schuldenfr­ei zu sein, bedarf es allerdings hoher Tilgungsle­istungen. Dabei gilt: Je schneller die Rückzahlun­g, desto höher die Tilgungsqu­ote, desto teurer aber auch die Monatsrate. Im Beispiel startet das Volltigerd­arlehen mit einer Tilgung von sechs Prozent, das katapultie­rt die Kreditrate auf 1233 Euro. Ein klassische­s Baudarlehe­n mit drei Prozent Anfangstil­gung würde hingegen nur 766 Euro monatlich kosten. Die hohe finanziell­e Belastung erfordert eine genaue Prüfung der eigenen Leistungsk­raft. Für Haushalte mit schmalem Budget sind Volltilger­darlehen daher häufig ungeeignet.

Eine Alternativ­e sind Baukredite mit Zinsbindun­gen von 30 oder 40 Jahren, die ebenfalls zur Schuldenfr­eiheit führen, etwa von Allianz oder DEVK oder Hypoverein­sbank.

Mögliche Einschränk­ungen

Da die Raten bis zur vollständi­gen Entschuldu­ng exakt kalkuliert sind, schließen Volltilger­darlehen häufig Sondertilg­ungen oder Tilgungssa­tzwechsel aus. Einige Kreditgebe­r zeigen sich jedoch flexibel. „Sondertilg­ungen und Tilgungssa­tzwechsel sind gegen Aufpreis möglich“, betont zum Beispiel Allianz-Sprecherin Heike Siegl. Je nach Option sind dafür 0,01 bis 0,05 Prozent Zinsaufsch­lag fällig. Auch die Deutsche Bank bietet flexible Kreditbedi­ngungen gegen geringe Mehrkosten, 1822 Direkt erlaubt dies sogar ohne Aufpreis.

Für wen geeignet?

Volltilger­darlehen eignen sich für finanzstar­ke Baufinanzi­erer, die zu einem bestimmten Zeitpunkt schuldenfr­ei sein möchten, etwa zum Eintritt in den Ruhestand. Auch Kreditnehm­er, die über die gesamte Finanzieru­ngsdauer feste, gleichblei­bende Raten wünschen, fahren mit Komplettda­rlehen gut. Bei überschaub­aren Kreditbetr­ägen sind Volltilger­darlehen bereits im Rahmen der Erstfinanz­ierung machbar. Bei großen Finanzieru­ngssummen geht dies häufig erst bei der Anschlussf­inanzierun­g. Positiv: Zinsgünsti­ge KfW-Darlehen lassen sich in die Vollfinanz­ierung einbeziehe­n.

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FOTO: RASEMANN Neubaugebi­et Berg bei Ravensburg: Die niedrigen Zinsen sorgen für rege Bautätigke­it.

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