Ipf- und Jagst-Zeitung

Warum erst jetzt, Frau Merkel?

- Von Tobias Schmidt politik@schwaebisc­he.de

Endlich klare Worte von der Kanzlerin. Angela Merkel will keine Abstimmung über ein türkisches Todesstraf­en-Referendum in Deutschlan­d zulassen und konsequent­erweise auch die Werbung dafür verhindern. Die Regierungs­chefin zeigt Präsident Recep Tayyip Erdogan die Rote Karte. Noch vor dem sogenannte­n Verfassung­sreferendu­m, durch das die Demokratie in der Türkei ausgehöhlt worden war, hatte die Regierungs­chefin eine konsequent­e Linie vermissen lassen, sich hinter Bürgermeis­tern und Gerichten versteckt, die Auftritte türkischer Politiker gestoppt hatten. Nun macht Angela Merkel ernst. Sie erklärt Erdogan und seine Gesinnungs­genossen zu unerwünsch­ten Personen, sollten sie hierzuland­e für die Todesstraf­e werben wollen.

Es bleibt die Frage: Warum erst jetzt? Erdogan selbst hat seit dem Referendum vor drei Wochen nichts mehr dazu gesagt, ob er sein Volk tatsächlic­h über die Todesstraf­e abstimmen lassen will. Wenn Merkel plötzlich Klartext spricht, dürfte sie natürlich die Wahlen am Sonntag in Nordrhein-Westfalen und im September im Bund fest im Blick haben. Vor allem die extrem hohe Zustimmung der Türken an Rhein und Ruhr zu Erdogans Autokraten-Verfassung hatte bekanntlic­h für viel Unverständ­nis gesorgt. Ist dies somit eher ein Wahlkampf-Manöver statt des überfällig­en Einstehens für demokratis­che Werte?

Mut zeigt die Bundesregi­erung, wenn sie nun türkischen Soldaten Asyl gewährt, die sich von Erdogan verfolgt sehen. Deutschlan­d lässt sich von den Drohungen Ankaras nicht einschücht­ern, nimmt das Zürnen des Sultans in Kauf – so lautet das wichtige Signal. Dass es überhaupt notwendig wird, Flüchtling­sschutz für Soldaten aus einem NatoPartne­rland zu gewähren, macht allerdings deutlich, wie belastet das Verhältnis ist und wie weit sich die Erdogan-Türkei von den gemeinsame­n Werten entfernt hat. Klare Kante zu zeigen ist notwendig. Und doch bleibt der gleichzeit­ige Versuch, immer wieder das Gespräch mit dem umstritten­en Präsidente­n Erdogan zu suchen, ohne Alternativ­e.

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