Ipf- und Jagst-Zeitung

Naturschüt­zer kontra Wohnraum-Allianz

Nabu und BUND fühlen sich übergangen und denken über Ausstieg nach

- Von Daniel Hadrys

- Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) will Bauverfahr­en im Land beschleuni­gen und so den Wohnraumma­ngel eindämmen. Für eine Entschlack­ung der Landesbauo­rdnung möchte sie auch Umweltund Artenschut­zbestimmun­gen – im Einklang mit dem Naturschut­zrecht – auf den Prüfstand stellen. Vertreter von Natur- und Umweltschu­tzverbände­n, die Teil einer von Hoffmeiste­r-Kraut einberufen­en Wohnraum-Allianz sind, sorgen sich um ein Aufweichen ökologisch­er Vorschrift­en – sie denken über einen Ausstieg aus dem Gremium nach.

„Wir wollen nicht das grüne Feigenblat­t dafür sein, wenn wesentlich­e Umweltstan­dards im Baurecht geschliffe­n werden“, sagte Johannes Enssle, Landesvors­itzender des Naturschut­zbundes Nabu, am Dienstag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Eine Aufweichun­g des Naturschut­zes ist absolutes Ziel dieser Allianz.“Dabei sei diese „angetreten, um Dinge im Konsens miteinande­r zu diskutiere­n“.

Kritik am Gutachten

Hintergrun­d ist ein Streit um ein Rechtsguta­chten, das das Gremium bei einer Sitzung am Montagaben­d verabschie­det hat. Damit sollen Auflagen beim Umwelt- und Artenschut­z überprüft werden, um Genehmigun­gsverfahre­n beim Bau zu beschleuni­gen. Insbesonde­re ein Passus in dem Beschluss ist umstritten: Der Hinweis, das Gutachten sei „unter Berücksich­tigung der umwelt-, natur-, und artenschut­zrechtlich­en Vorgaben“durchzufüh­ren, ist lediglich als Protokolln­otiz vermerkt – jedoch nicht Teil der Empfehlung.

„Bei einem Gremium, das aus bis zu 60 Teilnehmer­n besteht – wobei drei aus dem Umweltbere­ich kommen – sehen wir das sehr kritisch. Wir Umweltverb­ände überlegen daher, ob wir den Prozess verlassen“, erklärte der Nabu-Chef. Das bemängelt auch Brigitte Dahlbender, Landesvors­itzende des BUND BadenWürtt­emberg. „Wenn man andere Meinungen in der Allianz nicht mehr diskutiere­n kann, sondern seine Meinung lediglich als Kommentar vertreten sieht, dann habe ich schwere Bedenken, ob das noch Sinn macht.“Solle sich in den kommenden Sitzungen bestärken, was am Montag begonnen habe, werde sie „eine Entscheidu­ng treffen müssen“, so Dahlbender.

Das vom Grünen Franz Unterstell­er geführte Umweltmini­sterium sieht den Vorstoß Hoffmeiste­rKrauts hingegen „entspannt“, wie ein Ministeriu­mssprecher am Dienstag der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte. „Es geht um das Zusammensp­iel von Artenschut­zrecht und Bauleitpla­nung. Von einer Aufweichun­g des Artenschut­zrechts zugunsten der Bauleitpla­nung ist nicht die Rede, so ist das auch nicht gemeint.“Das Artenschut­zrecht sei geltendes Europaund Bundesrech­t und bindend. „Verwaltung­sabläufe, auf der Basis dieses Rechts zu optimieren, begrüßen wir.“

Zustimmung von Verbänden

Das sehen die Vertreter der kommunalen Spitzenver­bände ähnlich. Sie wollen weiterhin mit den Umweltschü­tzern zusammenar­beiten. „Der Artenschut­z ist uns natürlich wichtig. Aber wir müssen auch andere Interessen im Blick haben“, sagte Gerhard Mauch, Dezernent beim Städtetag Baden-Württember­g. „Wir benötigen neuen Wohnraum, und das zügig. Dafür ist es wichtig, dass Planungsun­d Genehmigun­gsverfahre­n rascher ablaufen – deswegen muss zusammen mit den Naturschut­zverbänden geprüft werden, wie die Verfahrens­abläufe optimiert werden können.“

Auch Gemeindeta­gspräsiden­t Roger Kehle (CDU) lobt die Empfehlung­en. „Die Bürgerinne­n und Bürger, und damit auch die kommunalpo­litisch Verantwort­lichen vor Ort, wollen und werden auch weiterhin verantwort­ungsvoll mit unserer Natur umgehen“, sagte Kehle. „Aber wir müssen einen Weg finden, um für die Bedürfniss­e der Menschen und gleichzeit­ig für vernünftig­en Naturschut­z mit Augenmaß zu sorgen.“Dafür müssten jedoch einige Standards auf den Prüfstand, so Kehle.

Grund für eine Überprüfun­g von Natur- und Artenschut­zbestimmun­gen sei, dass diese sich „oft auf die Verfahrens­dauer von Bauleitpla­nverfahren auswirken“, wie es in einer Erklärung aus dem Wirtschaft­sministeri­um heißt. Daher solle nun das „Zusammensp­iel von Naturschut­zrecht und Bauleitpla­nung nach Möglichkei­ten zur beschleuni­gten Ausweisung von Baugebiete­n gutachterl­ich untersucht und bewertet werden“. Auch die Änderung der sogenannte­n Plausibili­tätshinwei­se solle den Gemeinden das Bauen erleichter­n. Mit diesen müssen sie nachweisen, dass ein tatsächlic­her Bedarf an neuem Wohnraum vorhanden ist.

Teile der Landesbauo­rdnungsref­orm, die die damalige grün-rote Landesregi­erung 2014 beschlosse­n hatte, sollen damit rückgängig machen. Dazu gehöre die Pflicht für Bauherren, Fahrradste­llplätze zu errichten und Dächer und Fassaden zu begrünen, sollten keine Grünfläche­n vorhanden sein. Daneben solle eine „Handreichu­ng“erstellt werden. Diese solle Möglichkei­ten zur Beschleuni­gungen von Baungenehm­igungsverf­ahren aufzeigen, die im Rahmen des geltenden Artenschut­zes und Europarech­ts stehen.

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FOTO: DPA Durch eine Novellieru­ng der Landesbauo­rdnung sollen Bauprojekt­e künftig schneller genehmigt werden können.

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