Skandal in der Bundeswehr weitet sich aus
Weiterer Offizier unter Terrorverdacht in Haft – Todeslisten und Anschlagspläne – Von der Leyen unter Druck
- Gibt es ein rechtsextremes Terrornetzwerk in der Bundeswehr? Der Skandal in der Truppe weitet sich jedenfalls aus, nachdem Ermittler des Bundeskriminalamtes am Dienstag im baden-württembergischen Kehl den 27-jährigen Oberleutnant Maximilian T. unter Terrorverdacht festgenommen haben. Am Abend ordnete der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof Untersuchungshaft an.
Maximilian T., der bereits Ende April festgenommene Oberleutnant Franco A. und der ebenfalls in U-Haft sitzende Student Mathias F. sollen „eine schwere staatsgefährdende Gewalttat“vorbereitet haben, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte. Das Trio habe Politiker und Personen des öffentlichen Lebens, die sich für Ausländer und Flüchtlinge engagieren, angreifen und die Tat als einen islamistischen Terrorakt eines anerkannten Flüchtlings ausgeben wollen.
Zum Gespräch nach Kehl gebeten
Maximilian T. sei die „Nummer Drei“der Gruppe um Franco A. gewesen, ein Offizierskamerad beim deutschen Jägerbataillon 291 im französischen Illkirch. Nach Informationen unserer Berliner Redaktion hatte ihn der Militärische Abschirmdienst (MAD) am Dienstag unter dem Vorwand, ein Gespräch mit ihm führen zu wollen, ins 16 Kilometer entfernte Kehl gebeten.
Ziel war es, dass die Ermittler ihn auf deutschem Boden festnehmen konnten. Unklar ist aber, warum T., dessen Name seit einer Woche mit dem Skandal in Zusammenhang gebracht und in den Medien genannt wurde, erst jetzt festgenommen wurde.
Laut der Bundesanwaltschaft soll Maximilian T. eine Liste mit möglichen Anschlagsopfern geführt haben – mit mehreren Kategorien. In der Kategorie A habe sich unter anderem der frühere Bundespräsident Joachim Gauck und Bundesjustizminister Heiko Maas befunden.
Jeder in dem Trio hatte offenbar eine klar definierte Aufgabe. Franco A. ließ sich als Flüchtling registrieren, obwohl er kein Wort Arabisch spricht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gewährte ihm nach einer Anhörung auf Französisch Ende 2016 eingeschränkten Schutz. Wie es zu derart gravierenden Fehlentscheidungen in der obersten Asylbehörde kommen konnte, ist derzeit noch Gegenstand einer internen Untersuchung. Franco A. sollte den Anschlag ausführen. Den Sinn der fiktiven Flüchtlingsidentität erklärt die Bundesanwaltschaft so: „Auf diese Weise wollten die drei Beschuldigten nach dem Anschlag den Verdacht auf in Deutschland erfasste Asylbewerber lenken.“Franco A. war in der Truppe schon vor längerer Zeit mit fremdenfeindlichen Einstellungen aufgefallen – unter anderem durch eine Masterarbeit mit rassistischen Thesen und durch Wehrmachtsdevotionalien auf seiner Stube. Folgen hatte dies für ihn allerdings nicht.
A. versuchte offenbar, die Legende vom syrischen Flüchtling mit vielen Tricks aufrechtzuerhalten. Mehrfach holte er Geld, das ihm als Flüchtling zustand, bei den zuständigen Behörden persönlich ab. Offizierskamerad Maximilian T. half den Ermittlern zufolge, die Tarnidentität von Franco A. als falscher Flüchtling aufzubauen: „Die dadurch entstandenen Abwesenheiten deckte zumindest zum Teil Maximilian T., indem er den Franco A. gegenüber Vorgesetzten entschuldigte“, heißt es aus Karlsruhe.
Gegen T. soll nach Informationen des „Spiegel“bereits im September 2015 der MAD ermittelt haben, nachdem der Offizier einen Kameraden für Aktionen gegen Ausländer habe anwerben wollen. Hinzu kommt: Die Schwester von Maximilian T. war nach Angaben eines Mitglieds des Verteidigungsausschusses des Bundestages die Freundin von Franco A.
Ebenso bemerkenswert: Maximilian T. soll noch am Standort in Illkirch gewesen sein, als Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU) das deutsche Jägerbataillon am vergangenen Mittwoch besuchte. Und der Student Mathias F. hatte 1000 Schuss Munition gehortet, die wahrscheinlich aus Bundeswehr-Beständen gestohlen wurden.
Ministerin vor dem Ausschuss
Netzwerk oder nicht? Die Frage dürfte im Mittelpunkt stehen, wenn Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am heutigen Mittwoch dem Verteidigungsausschuss in einer Sondersitzung Rede und Antwort stehen muss. Am Dienstag gab es von der Ministerin dazu keine Stellungnahme. „Es gibt keine Hinweise auf ein Netzwerk. Es handelt sich offenbar um eine Gruppe von Verrückten“, erklärte CDUVerteidigungsexperte Henning Otte der „Schwäbischen Zeitung“.
Gegenwind für von der Leyen kommt von der SPD. „Nach der Festnahme eines mutmaßlichen Komplizen von Franco A. müssen wir davon ausgehen, dass sich eine Terrorzelle innerhalb der Bundeswehr gebildet hat“, kritisierte Fraktionschef Thomas Oppermann am Dienstag und sprach von einer „Riesen-Blamage“. Die Ministerin müsse den von ihr bisher total vernachlässigten Bereich der Inneren Führung so organisieren, „dass solche Fälle ausgeschlossen sind“.