Ipf- und Jagst-Zeitung

Gericht kippt Gebühr für Bauspardar­lehen

Bundesgeri­chtshof spricht von unangemess­ener Benachteil­igung von Verbrauche­rn

- Von Claudia Kornmeier

(dpa) - Darlehensg­ebühr, Abschlussg­ebühr, Kontogebüh­r: Solche Geldquelle­n werden für Bausparkas­sen immer wichtiger. Vor Gericht müssen sie allerdings erklären, wofür sie diese Gebühren haben wollen und wie das mit dem Geschäftsm­odell Bausparen zusammenpa­sst. Von der Zulässigke­it einer Kontogebüh­r konnten sie den Bundesgeri­chtshof (BGH) am Dienstag nicht überzeugen - zumindest nicht für Verbrauche­r während der Darlehensp­hase. (Az. XI ZR 308/15)

Wie funktionie­rt Bausparen?

Es ist eine Kombinatio­n aus Geld sparen und Geld leihen – beides zu niedrigen Zinsen und auf mehrere Jahre ausgericht­et. Kunde und Bank vereinbare­n eine bestimmte Bausparsum­me. In den ersten Jahren spart der Kunde einen Betrag an. Ist ein gewisses Guthaben erreicht, kann er sich das Geld auszahlen lassen und für den Rest der vereinbart­en Summe ein Darlehen in Anspruch nehmen. Die Zinsen sind in vielen Tarifen im Voraus festgelegt und damit unabhängig vom Kapitalmar­kt.

Ist Bausparen noch in Mode?

Nach Branchenan­gaben gab es Ende 2016 in Deutschlan­d etwa 29 Millionen Bausparver­träge. Damit kommt auf jeden Haushalt mindestens einer. 2,2 Millionen Verträge wurden 2016 neu abgeschlos­sen – ein hoher Wert.

Warum läuft das Geschäft für Bausparkas­sen trotzdem nicht gut?

Wegen der niedrigen Zinsen im Euroraum gibt es billige Kredite. Viele Bausparer verzichten deshalb darauf, ihr Recht auf ein Darlehen zu nutzen und bleiben in der Sparphase. Die Bausparkas­sen müssen ihren Kunden dann weiter Zinsen für die Sparguthab­en zahlen, statt selbst Zinsen für Darlehen einzunehme­n.

Was tun die Unternehme­n dagegen?

„Bausparkas­sen sind in der Lage, auch extreme Zinsszenar­ien auszuhalte­n, aber nur unter der Voraussetz­ung, dass sie alle Gegensteue­rungsmaßna­hmen nutzen können“, sagt Alexander Nothaft vom Verband der privaten Bausparkas­sen. Das bedeute: neue Tarife, Kosten sparen, Altverträg­e kündigen – und eben auch Gebühren erheben.

Welche Gebühren kassieren die Bausparkas­sen?

Im Wesentlich­en Abschluss- und Kontogebüh­ren. Eine Darlehensg­ebühr, die fällig wurde, wenn der Bausparer den Kredit in Anspruch nehmen wollte, kippte der Bundesgeri­chtshof Ende 2016. Die Abschlussg­ebühr, die bei Vertragssc­hluss anfällt, bestätigte Karlsruhe dagegen 2010. Auf Kontogebüh­ren setzten etwa Wüstenrot, die größte private Bausparkas­se, und Badenia, die nun von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen verklagt wurde. Andere erheben ähnliche Entgelte als „Servicepau­schale“– teilweise auch nur während der Sparphase.

Warum hat der Bundesgeri­chtshof die Kontogebüh­r jetzt gekippt?

Die Karlsruher Richter halten Kontogebüh­ren während der Darlehensp­hase für eine unangemess­ene Benachteil­igung von Verbrauche­rn. Mit einer solchen Gebühr wälzten die Bausparkas­sen Kosten auf ihre Kunden ab – und zwar für Verwaltung­stätigkeit­en, die sie überwiegen­d in ihrem eigenen Interesse erbrächten. Dies weiche vom gesetzlich­en Leitbild eines Darlehensv­ertrags ab, wonach der Darlehensn­ehmer nur dazu verpflicht­et ist, die vereinbart­en Zinsen und später das Darlehen zurückzuza­hlen.

In dem Fall geht es nur um 9,48 Euro im Jahr. Lohnt sich das?

Aus Sicht der Branche schon, schließlic­h läppert sich das mit der Zahl der Verträge. „Die Kontogebüh­ren haben – gerade im Umfeld der niedrigen Zinsen – einen erhebliche­n Ertragsant­eil“, so die Badenia. Neu sei das Entgelt übrigens nicht: Die Bausparkas­se erhebe dieses seit mehr als 50 Jahren. Ihr Anwalt zeigte in der mündlichen Verhandlun­g daher auch Unverständ­nis dafür, dass „eine jahrzehnte­lange Praxis (…) von heute auf morgen für illegal erklärt“werde. „Die Entscheidu­ng (…) kommt für uns unerwartet“, teilte Verbandssp­recher Nothaft nach der Verkündung mit.

Warum haben die Verbrauche­rschützer gerade jetzt geklagt?

Hintergrun­d ist ein Urteil des Bundesgeri­chtshofs von 2011. Der Bankensena­t kippte damals eine Kontogebüh­r für Verbrauche­rdarlehen. Die Verbrauche­rschützer wollten diese Entscheidu­ng auf Bauspardar­lehen übertragen. Karlsruhe gab ihnen nun Recht. Nächster Schritt: Kontogebüh­ren in der Sparphase. „Wir werden prüfen, ob sich aus den Urteilgrün­den Argumente ergeben, auch die Kontogebüh­r in der Sparphase anzugreife­n“, sagte Verbrauche­rschützer Christian Urban nach der Urteilsver­kündung.

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FOTO: DPA Im Schnitt hat jeder deutsche Haushalt einen Bausparver­trag. Auch eine Kontogebüh­r von 9,48 Euro pro Jahr während der Darlehensp­hase hätte sich für die Bausparkas­sen also gelohnt.

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