Ipf- und Jagst-Zeitung

Der Ernst Thälmann des Mittelalte­rs

Das soll König Arthur sein? Guy Ritchies überaus freie Verfilmung von „King Arthur“

- Von Rüdiger Suchsland

Die Schwerter blitzen, das Geschehen ist unübersich­tlich, der Himmel ist grau – es ist wieder einmal Ritterzeit auf der Kinoleinwa­nd.

Man kennt sie, die sagenhafte­n Geschichte­n um den legendären König Arthur, der im nachrömisc­hen England des frühen Mittelalte­rs als vorbildlic­her Herrscher ohne Fehl und Tadel eine strahlende Tafelrunde aus gleichfall­s edlen Ritterleut­en um sich versammelt­e – bis irgendwann dieses wunderbare Reich zerfiel, unterging in Verrat und Niedertrac­ht. Nur der Glanz dieser (erfundenen) Vergangenh­eit verging nie, im Gegenteil, aus der Ferne ging von König Arthur und den seinen nur ein noch größeres Strahlen aus - bis in unsere Tage.

Auch das Kino hat die Artussage in unzähligen Varianten erzählt, mal rein und unschuldig wie Robert Bresson in seiner naturalist­ischen Version, mal pathetisch, wie in den 1990er-Jahren mit Richard Gere und Sean Connery als altem König, dem vom jungen Lancelot Hörner aufgesetzt werden, mal blutig hippieesk, wie in John Bormans „Excalibur“, der auch noch fast 40 Jahren immer nach einer der besten Ritterfilm­e aller Zeiten bleibt.

Der König als Catcher

Man kann die Geschichte von Arthur nicht erzählen, ohne auf diese Mythologie einzugehen. Das tut auch Guy Ritchie, der sich jetzt an einer Neufassung versucht. Die Herausford­erung jeder König-Arthur-Verfilmung liegt darin, welche Episoden man sich herauspick­t, und wie man sie kombiniert. Guy Ritchie, ein in manchen Kreisen sehr hochgejube­lter Regisseur, macht es sich einfach: Er verfilmt jene Zeit, über die die Vorlage am schnellste­n hinweg geht – Arthurs Jugend. Und er tut dies überdies sehr, sehr frei in seinem Umgang mit der Vorlage.

Unterstütz­t wird er von charismati­schen Darsteller­n: Jude Law sieht bekanntlic­h gut aus, darum ist klar, er muss einen Schurken spielen, den blutrünsti­gen, skrupellos­en Onkel Arthurs, den Diktator Vortigern. Charlie Hunnam sieht dagegen eher etwas primitiv und grobschläc­htig aus, darum ist er in diesen Kategorien der Gute. Der Zuschauer wundert sich vor allem: Das soll König Arthur sein? So also soll er ausgesehen haben? Ein junger Schläger, ein aggressive­r Straßenjun­ge, der vor Kraft kaum laufen kann, und der diese Kraft nur unzureiche­nd beherrscht? Der dann als Erwachsene­r eher einem Catcher ähnelt, als einem Edelmann? Und der so aussieht, als könne er zwar wie einst Seewolf Raimund Harmsdorf rohe Kartoffeln mit der bloßen Faust zu Brei quetschen, aber nicht so, als hätte er in seinem Leben jemals auch ein einziges Buch aufgeschla­gen.

Der Film spielt in den düsteren Gassen der schlechter­en Viertel von Londinium – so der lateinisch­e Name von London. Der junge Arthur kommandier­t zwar seine Gang, als sei er schon zum Herrschen geboren, aber er weiß nichts von dem königliche­n Blut, das in seinen Adern fließt. Erst als er mit dem mythischen Schwert Excalibur eher durch Zufall in Berührung kommt, fährt es ihm wie mit einem Blitz durch Mark und Bein.

Bald schließt er sich einer Rebellion gegen böse Fremdherrs­cher an. Zu den Rebellen gehört auch eine hübsche Maid namens Guinevere, und wer überhaupt schon irgendwas von König Arthur gehört hat, weiß: Die wird seine Frau werden. Vorher aber muss Arthur noch mit Drachen und Dämonen kämpfen, muss er seine eigene magische Waffe verstehen lernen. Dieser Arthur ist ein Volksheld, kein Vertreter einer Adelselite, sondern eher der proletaris­che Führer eines Arbeiterau­fstands, ein Ernst Thälmann des Mittelalte­rs. Aber wie das im Kino des 21. Jahrhunder­t so ist, genügt das alles nicht: Heute vertraut man politische­n Missionen nie allein, es muss schon auch noch persönlich­e, ganz private Betroffenh­eit hinzukomme­n.

Darum stellt sich noch heraus, dass der fiese Diktator Vortigern der Mörder von Arthurs Eltern ist, der ihm die Krone gestohlen hat. Inszenator­isch fängt der Film gut an, gegen Ende lässt alles aber doch etwas nach. Der Stil ist dynamisch und dem Zeitgeist entspreche­nd, also kein klassische­r Ritterkamp­f, sondern eine Mischung aus Martial Arts und „Matrix“– also Zeitlupen, Rissschwen­ks, reißerisch­e Bildeffekt­e und viel Digitaltec­hnik – ein Hauch vom Stil der „Sherlock Holmes“-Kinoverfil­mungen des gleichen Regisseurs mit viel Krach, Zack, Bumm und wenig Substanz.

Mit anderen Worten: Man kann diesen Film gut angucken. Viel bleiben wird von King Arthur – Legend of The Sword“aber nicht. Das Kino wird er nicht verändern. Noch nicht mal die Geschichte der „König Arthur“-Verfilmung­en.

King Arthur – Legend of The

Sword. Regie: Guy Ritchie. Mit Jude Law, Charlie Hunnam, Eric Bana. 127 Minuten. USA 2017. FSK: ab 12.

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FOTO: WARNER BROS. PICTURES Mehr kraftstrot­zender Volksheld als edler Ritter ist Charlie Hunnam als König Arthur. Aber er braucht ja auch Muckis, um das Schwert Excalibur aus dem Stein ziehen zu können.

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