Flammen neben Obdachlosem
Prozessbeginn in Berlin: Verteidiger kündigen Aussagen der jugendlichen Angeklagten an
(dpa) - Junge Männer sollen in der Weihnachtsnacht in einem Berliner U-Bahnhof versucht haben, einen ahnungslosen Mann anzuzünden. Unter großem Medienandrang hat rund vier Monate später der Prozess gegen sieben Angeklagte im Alter von 16 bis 21 Jahren begonnen. Sechs von ihnen wird versuchter Mord vorgeworfen, dem siebten unterlassene Hilfeleistung. Mehrere Verteidiger kündigten für ihre Mandanten Aussagen für den zweiten Prozesstag am Freitag an.
Spontaner Überfall
Es war 01.55 Uhr, als die siebenköpfige Gruppe an Weihnachten den Bahnsteig betrat. Bilder von Überwachungskameras belegen Angaben zufolge, wie sich einige der jungen Männer sechs Minuten später zu dem auf einer Bank schlafenden Obdachlosen umdrehten. Sie hätten sich „offensichtlich über ihn lustig gemacht“. Der mutmaßliche Rädelsführer habe erst ein Stück Papier, dann ein Taschentuch mit einem Feuerzeug angezündet und es „unmittelbar neben dem Kopf“des 37jährigen Polen gelegt. Der Mann schlief fest, als neben ihm Flammen aufloderten. Die Angeklagten sollen den Plan spontan und gemeinsam gefasst haben.
Der 37-Jährige hätte laut Anklage „qualvoll verbrennen können“. Nur das beherzte Eingreifen von Fahrgästen einer kurz nach dem mutmaßlichen Feueranschlag einfahrenden UBahn konnte im Kreuzberger UBahnhof Schönleinstraße Schlimmeres verhindern. „Sie weckten den Mann und löschten das Feuer“, heißt es in der Anklage. Der Obdachlose aus Polen blieb unverletzt.
Von „Heimtücke und Grausamkeit“geht die Staatsanwaltschaft aus. Die jungen Männer hätten den Attackierten zwar nicht vorsätzlich umbringen wollen, aber seinen möglichen Tod „billigend in Kauf genommen“. Zum möglichen Motiv sagte Staatsanwalt Martin Glage am Rande des Prozesses, es könnte auch Langeweile im Spiel gewesen sein. Die Fahndungsbilder der lachenden Angeklagten, die noch am Folgetag zu Festnahmen führten, lösten bundesweit Entsetzen aus.
Opfer bislang nicht geladen
Sechs Verdächtige stammen aus Syrien, einer aus Libyen. Die Angeklagten kamen nach Angaben von Ermittlern zwischen 2014 und 2016 als Flüchtlinge nach Deutschland – fünf als alleinreisende Minderjährige. Der Anwalt eines inzwischen 16-Jährigen sagte, es sei auch zu prüfen, „warum 15- und 16-Jährige mitten in der Nacht in Berlin unterwegs waren“. Der Staat hätte sich um sie kümmern müssen.
Sechs der Männer befinden sich seit Ende Dezember in U-Haft. Mit jeweils zwei Anwälten an ihrer Seite saßen sie zu Beginn der Verhandlung am Dienstag im Gerichtssaal.
Wo sich der Obdachlose jetzt aufhält und ob er zum Prozess kommt, war unklar. Im Winter suchen viele Obdachlose aus Osteuropa Schutz in Berlin, weil das Hilfssystem in ihrer Heimat schlechter ist – oder es gar keines gibt.