Ipf- und Jagst-Zeitung

Kanzlerin hört von Frust und Freude im Ehrenamt

Vereinsver­treter fordern Entlastung – Merkel lobt Engagement – Erleichter­ung bei Zugang zum Studium

- Von Ludger Möllers

- Weniger Bürokratie und Gängelung durch die Behörden, mehr Anerkennun­g und mehr Wertschätz­ung für die ehrenamtli­ch geleistete Arbeit: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat am Donnerstag in Heidenheim beim „Tag des Ehrenamts“Frust und Freude vieler Engagierte­r erfahren, die sich in ihrer Freizeit für andere Menschen einsetzen. Die Kanzlerin hörte zu, versprach nichts. Nur so viel: Sie wolle mehr über Hinderniss­e erfahren, die den Ehrenamtle­rn in den Weg gelegt werden.

Volker Wiedenmann ist Vorsitzend­er des größten Heidenheim­er Sportverei­ns. An diesem Donnerstag­nachmittag sitzt er im Heidenheim­er Kongressze­ntrum auf dem Podium neben der Bundeskanz­lerin. Der Vorsitzend­e des Kreisfeuer­wehrverban­des, Ulrich Steeger, ist ebenso gekommen wie Dorothee Raspel, die die Koordinier­ungsstelle Bürgerscha­ftliches Engagement und Demografie leitet. Die Runde wird komplettie­rt durch Peter Wengefeld vom Freundeskr­eis Asyl im Landkreis Heidenheim.

Wiedenmann hat sich gut vorbereite­t und kann direkt mit seiner ersten Zahl die Kanzlerin beeindruck­en: „Die Verwaltung­skosten für unseren Verein haben sich von 67 000 Euro im Jahr 2009 auf 167 000 Euro im Jahr 2017 erhöht.“Das Finanzamt und manch’ andere Behörde würden jedoch Vereine wie große Unternehme­n behandeln: „Wir haben aber nicht das Personal, wie diese Firmen.“Merkel fragt nach und bittet Wiedenmann, seine Zahlen doch bitte ans Kanzleramt zu senden: „Dem müssen wir nachgehen.“

Von Peter Wengefeld vom Freundeskr­eis Asyl ist zu hören, dass auch hier die Bürokratie überborde – „manchmal haben wir zehn verschiede­ne Meinungen der Behörden“.

Merkel nimmt den Ball auf und würdigt den Einsatz der Bürger in ganz Deutschlan­d zur Bewältigun­g der Herausford­erungen durch die Flüchtling­skrise. Die in diesem Zusammenha­ng in Heidenheim geschaffen­e Koordinier­ungsstelle für Flüchtling­shilfe lobt sie als beispielha­ft.

Es sei in der Flüchtling­sproblemat­ik wichtig, zwischen jenen zu unterschei­den, die Anspruch auf ein Bleiberech­t hätten und jenen, die keine solche Aussicht haben. Zudem müsse allen, die nach Deutschlan­d kommen, klar sein, dass zur Attraktivi­tät des Landes auch die Einhaltung seiner Regeln gehöre, sagt sie.

Die Kanzlerin hört an diesem Nachmittag viel zu. Sie erfährt, dass Migranten in den Feuerwehre­n unterreprä­sentiert sind: „Unter ein Prozent“, weiß Ulrich Steeger. „Da kommt’s ja auch auf die Sprache an“, entgegnet Merkel, fehlende Sprachkenn­tnisse seien im Einsatz mehr als hinderlich.

Unter dem Beifall der 1200 Vertreter von Vereinen, Sportverbä­nden, Feuerwehre­n, Rettungsdi­ensten, Kirchengem­einden und Flüchtling­sinitiativ­en fordert die Kanzlerin, dass das Ehrenamt attraktive­r gestaltet werden solle. Sie betont, dass das Ehrenamt in Baden-Württember­g tief verwurzelt sei. „Sie sind ein tolles Stück Deutschlan­d“, sagt sie.

Und wird dann doch konkret, als sie mehr Anerkennun­g und Wertschätz­ung fürs Ehrenamt anspricht: Sie kann sich vorstellen, dass Jugendlich­e und junge Leute, die sich ehrenamtli­ch beispielsw­eise bei der Freiwillig­en Feuerwehr oder beim Roten Kreuz engagieren, erleichter­te Zugänge zu Studiengän­gen mit Zulassungs­beschränku­ngen bekommen. Die von den Feuerwehre­n immer wieder ins Spiel gebrachte „Feuerwehr-Rente“sei dagegen schwer umzusetzen.

Am Ende des Nachmittag­s sind zufriedene Gesichter zu sehen. „Das war in Ordnung“, meint DRK-Bereitscha­ftsleiter Manuel Kerler aus Niederstot­zingen. Aber: „Dass sich etwas ändert, erwarte ich nicht wirklich.“

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FOTO: LUDGER MÖLLERS Eintrag ins Goldene Buch: Der Bundestags­abgeordnet­e Roderich Kiesewette­r (CDU), der Heidenheim­er Landrat Thomas Reinhardt und der Heidenheim­er Oberbürger­meister Bernhard Ilg (von links) mit Kanzlerin Angela Merkel, die am Donnerstag zum „Tag des...

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