Harniks doppeltes Wir
Hannovers Torjäger wünscht den Ex-Kollegen vom VfB den Aufstieg – am letzten Spieltag
– Wenn Martin Harnik am Sonntag (15.30/Sky) in Hannovers ausverkaufter Arena einläuft, um den Zweitliga-Tabellenführer Stuttgart zu besiegen, sollte er die Vergangenheit ausblenden. Sonst könnte er ins Grübeln geraten. In sechs Jahren schoss Harnik 53 Tore in 173 Spielen für den VfB, machte all die Tiefen, Trainerwechsel und Abstiegskämpfe mit. Und ja, auch die raren Höhen, die der Club in den Jahren nach der Meisterschaft 2007 erlebte. Im Frust wechselte er danach von einem Absteiger zum anderen, zu 96, zurück in die Nähe seiner Heimat Hamburg. Am Sonntag – Fußball ist bizarr – könnte er mit einem Tor den Stuttgarter Fall fortsetzen. Und/oder am Ende gemeinsam mit dem VfB wiederaufsteigen.
Bitteres Ende in Stuttgart
Letzteres wäre dem bald 30-Jährigen, der mit 17 Treffern Zweiter der Torjägerliste ist hinter Stuttgarts Simon Terodde (23), bedeutend lieber. Schließlich hat er da eine interessante WhatsApp-Gruppe am Laufen, die zeigt, dass man zwar Auschecken kann im Leben, aber stets etwas mitnimmt. Auch Gutes, Freundschaften etwa. Stuttgarts Sturmkollege Daniel Ginczek ist mit dabei, VfB-Kapitän Christian Gentner und Florian Klein, mit dem Harnik viel gemein hat. Beide sind österreichische Nationalspieler, beide auf der rechten Seite des Felds zu Hause, wobei Klein im Regelfall Verteidiger war, Harnik zumeist in der Spitze. Beide wurden vor einem Jahr zu Sündenböcken abgestempelt in Stuttgart. Lustlos seien sie, Identifikation fehle ihnen, hieß es; dass Harnik sich auf Facebook mit einem neuen, eher exklusiven Sportwagen präsentierte, tat sein Übriges. Jürgen Kramny, der damalige Trainer, suspendierte die beiden, statt sie zu integrieren, es war nur ein Fehler des am Ende maßlos überforderten Übungsleiters.
Klein blieb in Stuttgart und wurde dort Opfer des Jugendstils. Monate verbrachte er auf der Bank, und ausgerechnet, als der VfB seinen Abschied zum Saisonende verkündete, rettete er seinem Arbeitgeber mit seinem Last-Minute-Tor in Bielefeld zwei wichtige Punkte. Harnik dagegen entschied sich nach Jahren des Niedergangs nach dem Abstieg zur sofortigen Luftveränderung, und man kann sagen, er hat alles richtig gemacht. Beim 2:0 in Heidenheim war er mit zwei frühen Toren und zahllosen Balleroberungen in der eigenen Hälfte der überragende Mann, danach sprach er von der besten Saisonleistung seines Teams. Auch im 14. Spiel hintereinander – sieben davon unter dem neuen Trainer André Breitenreiter, mit dem Hannover 17 Punkte holte – blieb 96 ungeschlagen. Vor allem die Abwehr steht bombenfest, der Ligadritte spielte in den letzten neun Spielen achtmal zu null.
Harnik ist zum heimlichen Anführer geworden und fast wieder so stark wie in guten VfB-Zeiten, als er mit bedingungslosem Einsatz und pfeilschnellen Sprints überzeugte. „Laufen konnte ich irgendwie schon immer. Das ist mehr Talent als Fleiß. Unter 30 Sprints komme ich selten aus einem Spiel raus“, sagt er. Und das Gewinnen hat er in Hannover neu gelernt, schon im Hinspiel. In der Höhle des Löwen und unter den Argusaugen der kritischen VfB-Fans glückte ihm – beim 2:1-Sieg seiner Niedersachsen – der wichtige Ausgleichstreffer.
Wie es diesmal ausgeht? „Es ist das absolute Topspiel, die zwei besten Teams der Liga treffen aufeinander“, sagt Harnik, der glaubt, dass die drei Ersten am Ende allesamt 69 Punkte haben könnten. Das Torverhältnis spräche dann wohl für Stuttgart, während Hannover in Sandhausen im Fernduell mit Braunschweig (in Bielefeld, dann gegen Karlsruhe) fleißig knipsen müsste. „Wir gewinnen am Sonntag und steigen dann am letzten Spieltag gemeinsam auf“, hofft er.
Mit dem ersten Wir meint Harnik Hannover, mit dem zweiten Hannover und den VfB, sich und Daniel Ginczek, seinen dicken Stuttgarter Buddy, mit dem er im Sommer den Familienurlaub in Österreich verbrachte. Auf Instagram postete Martin Harnik damals ein Bild der gemeinsamen Reisegruppe vor mächtigen Bergen und schrieb dazu: „Den Aufstieg fest im Blick.“