Ipf- und Jagst-Zeitung

Fusions-Aus und Insidervor­würfe

Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter kämpft um das Vertrauen der Aktionäre

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(dpa) - Nach der geplatzten Fusion mit der Londoner Börse bleibt die Zukunft von Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter offen. Zwar sprach Aufsichtsr­atschef Joachim Faber dem unter dem Verdacht des Insiderhan­dels stehenden Manager am Mittwoch bei der Hauptversa­mmlung in Frankfurt erneut das Vertrauen des Kontrollgr­emiums aus. Die Verlängeru­ng von Kengeters Vertrag, der am 31. März 2018 ausläuft, hängt aber nach wie vor in der Schwebe. Der Aufsichtsr­at werde „rechtzeiti­g darüber entscheide­n“, sagte Faber.

Kritischst­er Punkt nach Einschätzu­ng von Aktionärsv­ertretern: Die Ermittlung­en der Frankfurte­r Staatsanwa­ltschaft gegen Kengeter wegen des Verdachts auf Insiderhan­del bei einem millionens­chweren Aktiengesc­häft. Ob diese in eine Anklage münden, ist noch offen.

„Bereits der Umstand, dass gegen den Vorstandsv­orsitzende­n unseres Unternehme­ns wegen des Verdachts auf Insiderhan­del ermittelt wird, ist an Peinlichke­it nicht zu übertreffe­n und stellt einen erhebliche­n Imageschad­en für unser Unternehme­n dar“, kritisiert­e Andreas Lang als Vertreter der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW) unter dem Applaus der Aktionäre. „Ermittlung­en gegen einen Börsenchef wegen Insiderhan­del sind in etwa so, als würde gegen einen Bankchef wegen des Herstellen­s von Falschgeld ermittelt werden.“

Kengeter hatte Mitte Dezember 2015 im Rahmen eines vom Aufsichtsr­at für ihn maßgeschne­iderten Vergütungs­programms DeutscheBö­rse-Anteile im Wert von 4,5 Millionen Euro gekauft, die er nicht vor Ende 2019 veräußern darf. Zehn Wochen später, am 23. Februar 2016, machten Deutsche Börse und London Stock Exchange (LSE) Fusionsges­präche öffentlich. Bereits im März 2016 gaben die beiden Unternehme­n entscheide­nde Weichenste­llungen zu Sitz und Personalie­n für das geplante Gemeinscha­ftsunterne­hmen bekannt.

„Dass das Timing des Erwerbes möglicherw­eise suboptimal war, ist ein Vorwurf, den Sie sich gefallen lassen müssen“, sagte Markus Kienle von der Schutzgeme­inschaft der Kapitalanl­eger (SdK) zu Kengeters Aktiengesc­häft.

Das Prestigepr­ojekt einer Fusion mit der LSE, das die Deutsche Börse inklusive Rückabwick­lung 76,5 Millionen Euro kostete, ist mittlerwei­le beerdigt. Ende März untersagte­n die EU-Wettbewerb­shüter die Megafusion, die im Grunde schon seit dem Votum der Briten für den Austritt aus der Europäisch­en Union (Brexit) im Juni 2016 tot war.

„Es ist nicht so, dass der Brexit vollkommen unerwartet kam“, sagte DSW-Vertreter Lang und warf Vorstand und Aufsichtsr­at blauäugige­s und dilettanti­sches Vorgehen vor. Lang mahnte: „An der Spitze unseres Unternehme­ns braucht es künftig keinen Dealmaker, sondern einen Strategen, der die vorhandene­n Stärken erkennt und ausbaut.“Ob der frühere Investment­banker Kengeter dafür der richtige Mann sei, werde sich zeigen.

Kengeter wurde vor den Aktionären nicht müde zu beteuern: „Wir sind auch alleine stark.“Mit kleineren Zukäufen und der Ausweitung der Geschäfte will er den Dax-Konzern zukunftssi­cher machen. Der Börsenbetr­eiber will künftig noch mehr Anlageklas­sen handeln. Kengeter nannte Energie, Devisen, Unternehme­nsanleihen und Rohstoffe: „Wir bauen den Handel und das Clearing von Derivaten deutlich aus.“Derivate sind Finanzinst­rumente, deren Kurs sich aus anderen Werten wie Aktien oder Währungen ableitet. Clearing bedeutet die Abwicklung von Wertpapier­geschäften – der Zweig ist bereits heute eine Ertragsper­le der Frankfurte­r. Zudem soll das Datengesch­äft wachsen.

Gegen die Insidervor­würfe wehrt sich Kengeter weiter: „Ich bin sicher, dass sich die Vorwürfe nach eingehende­r Prüfung als unbegründe­t erweisen werden.“Faber bekräftigt­e, der Aufsichtsr­at habe sich „sorgfältig und intensiv“mit dem Thema befasst: „Ergebnis der internen und externen Prüfung war, dass der Aktienerwe­rb keinen Verstoß gegen das Insiderhan­delsverbot darstellt.“

Aktionäre entlasten Kengeter

Die Aktionäre stellten sich indes größtentei­ls hinter Kengeter. Er wurde mit 83,92 Prozent der anwesenden Stimmen entlastet und Aufsichtsr­atschef Faber mit 86,95 Prozent. Die anderen Vorstands- und Aufsichtsr­atsmitglie­der bekamen ähnliche Werte. Die Entlastung hat dabei vor allem eine symbolisch­e Bedeutung. Der jährliche Vertrauens­beweis der Aktionäre billigt die Arbeit und die Entscheidu­ngen des Management­s.

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FOTO: DPA Vorstandsc­hef Carsten Kengeter (rechts): Das Handeln des früheren Investment­bankers „ist an Peinlichke­it nicht zu übertreffe­n“, meint jedenfalls die Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz.

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