Handwerk mit Nachwuchssorgen
Bei der Vorstellung des Berufsbildungsberichtes sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) vor wenigen Wochen: „Selten haben Jugendliche bei der Bewerbung um eine Lehrstelle so gute Chancen gehabt wie in diesem Jahr.“Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass es für die Betriebe immer schwieriger wird, ihre Stellen zu besetzen. 14 000 Ausbildungsplätze sind im Handwerk im vergangenen Sommer unbesetzt geblieben, das entspricht einer Quote von 9,4 Prozent. Bei den Bäckern ist ein Viertel der Stellen, bei den Metzgern sogar ein Drittel vakant.
Das deutsche Handwerk hat ein Problem. Die Kammern und Verbände der Schreiner, Zimmerer, Bäcker, Maurer und Schlosser kritisieren eine Bildungsförderung, die viele Jahre fast nur auf die gymnasiale und akademische Lehre setzte – und sie liegen damit richtig. Die Politik folgte einseitig der Analyse der OECD, die gebetsmühlenartig bemängelte, dass es in Deutschland zu wenig Hochschulabsolventen gäbe – dabei aber völlig verkannte, dass für Berufe, die in der Bundesrepublik im dualen System vermittelt werden, in anderen Ländern ein Studium nötig ist. Milliardenbeträge steckte der Staat in Hochschulen, während gleichzeitig Berufsschulen schlossen.
Experten befürchten einen zehnfach höheren Mangel von Fachkräften aus der beruflichen Bildung als von Hochschulabsolventen. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung, der dualen Ausbildung als Kombination aus Berufschule und Arbeit im Lehrbetrieb wieder mehr Gewicht zu verschaffen, nicht nur legitim: Die Erfüllung der Forderung des Handwerks ist sogar dringend geboten.
Nicht nur, weil die 600 000 Betriebe des Handwerks einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der deutschen Wirtschaft leisten, sondern auch, weil sie die Versorgung des Gemeinwesens sicherstellen. Schon jetzt ist der Fachkräftemangel im Handwerk zu bemerken – sollte der sich weiter verschärfen, werden die Kunden der Handwerker noch länger auf ihren Elektriker warten müssen und ihr Schnitzel nur noch beim Discounter kaufen können.