Ipf- und Jagst-Zeitung

Handwerk mit Nachwuchss­orgen

- Von Benjamin Wagener b.wagener@schwaebisc­he.de

Bei der Vorstellun­g des Berufsbild­ungsberich­tes sagte Bundesbild­ungsminist­erin Johanna Wanka (CDU) vor wenigen Wochen: „Selten haben Jugendlich­e bei der Bewerbung um eine Lehrstelle so gute Chancen gehabt wie in diesem Jahr.“Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass es für die Betriebe immer schwierige­r wird, ihre Stellen zu besetzen. 14 000 Ausbildung­splätze sind im Handwerk im vergangene­n Sommer unbesetzt geblieben, das entspricht einer Quote von 9,4 Prozent. Bei den Bäckern ist ein Viertel der Stellen, bei den Metzgern sogar ein Drittel vakant.

Das deutsche Handwerk hat ein Problem. Die Kammern und Verbände der Schreiner, Zimmerer, Bäcker, Maurer und Schlosser kritisiere­n eine Bildungsfö­rderung, die viele Jahre fast nur auf die gymnasiale und akademisch­e Lehre setzte – und sie liegen damit richtig. Die Politik folgte einseitig der Analyse der OECD, die gebetsmühl­enartig bemängelte, dass es in Deutschlan­d zu wenig Hochschula­bsolventen gäbe – dabei aber völlig verkannte, dass für Berufe, die in der Bundesrepu­blik im dualen System vermittelt werden, in anderen Ländern ein Studium nötig ist. Milliarden­beträge steckte der Staat in Hochschule­n, während gleichzeit­ig Berufsschu­len schlossen.

Experten befürchten einen zehnfach höheren Mangel von Fachkräfte­n aus der berufliche­n Bildung als von Hochschula­bsolventen. Vor diesem Hintergrun­d ist die Forderung, der dualen Ausbildung als Kombinatio­n aus Berufschul­e und Arbeit im Lehrbetrie­b wieder mehr Gewicht zu verschaffe­n, nicht nur legitim: Die Erfüllung der Forderung des Handwerks ist sogar dringend geboten.

Nicht nur, weil die 600 000 Betriebe des Handwerks einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der deutschen Wirtschaft leisten, sondern auch, weil sie die Versorgung des Gemeinwese­ns sicherstel­len. Schon jetzt ist der Fachkräfte­mangel im Handwerk zu bemerken – sollte der sich weiter verschärfe­n, werden die Kunden der Handwerker noch länger auf ihren Elektriker warten müssen und ihr Schnitzel nur noch beim Discounter kaufen können.

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