Ipf- und Jagst-Zeitung

Motiv für Kreissägen-Tötung bleibt unklar

Münchnerin brachte ihren Freund beim Liebesspie­l um – Zu 12,5 Jahren Haft verurteilt

- Von Patrik Stäbler

- Gabriele P. hat ihren Körper zum Richtertis­ch gewendet, die braunen Haare hängen wie ein Sichtschut­z an ihrer Wange herunter. Nicht ein Mal während dieses letzten Prozesstag­s geben die dichten Locken den Blick auf die Augen der Angeklagte­n frei; und nicht ein einziges Mal dreht sich die 32-Jährige zur Nebenkläge­rbank um – dorthin, wo die Eltern von Alexander H. sitzen, den sie vor neun Jahren beim Sexspiel umgebracht hat.

„Die Tötung mit laufender Kreissäge ist skurril und bizarr, und sie erfüllt die Voraussetz­ungen eines Horrorszen­arios“, sagt Richter Michael Höhne bei der Urteilsbeg­ründung. Und dennoch wertet seine Kammer die Tat nicht als heimtückis­chen Mord, wie es die Anklage gefordert hat. Vielmehr schließt sie sich der Argumentat­ion der Verteidigu­ng an und verurteilt Gabriele P. wegen Totschlag zu einer Freiheitss­trafe von zwölf Jahren und sechs Monaten.

Die Angeklagte nimmt das Urteil regungslos zur Kenntnis. Im Jahr 2001 ist sie mit Alexander H. zusammenge­kommen, kurz darauf zieht das Paar in ein Häuschen mit Garten, das ihrer Familie gehört. Dort wohnen die beiden im Dachgescho­ss, während sie zwei Zimmer im Parterre vermieten. Gabriele P. studiert seinerzeit Soziale Arbeit, ihr Freund dagegen ist meist daheim, spielt Computer, trinkt Alkohol und kifft.

Immer häufiger habe es Streit gegeben, so der Richter. Dazu kommen die sexuellen Vorlieben von Alexander H.: Sadomasoch­ismus, Fesselspie­le und Sex mit mehreren Frauen. Gabriele P. habe diese Vorlieben „nur bedingt geteilt“, sagt Richter Michael Höhne, „aber sie nahm sie hin“.

Am Tattag im Dezember 2008 sind die Angeklagte und ihr Freund allein im Dachgescho­ss. Wie des Öfteren zuvor streift sich Alexander H. im Liebesspie­l eine abgeklebte Schwimmbri­lle über und lässt sich ans Bett fesseln – ist also „völlig arglos und auch völlig wehrlos“, so der Richter. In dem Moment greift Gabriele P. zu einer neben dem Bett abgestellt­en Handkreiss­äge, schaltet sie an und drückt sie gegen den Hals ihres Freundes. Das Sägeblatt durchtrenn­t zwei Wirbel und das Schlüsselb­ein; binnen Sekunden ist Alexander H. tot.

Nachdem sie erfolglos versucht hat, die Leiche zu zerstückel­n, bedeckt die Studentin den toten Körper mit Tüchern und zieht kurzerhand ins Erdgeschos­s um. Der Verwesungs­geruch sei den Mitbewohne­rn nicht aufgefalle­n – „wegen Kleintierh­altung, dem Cannabis und der Vernachläs­sigung von Hygienesta­ndards“, so der Richter.

Erst ein halbes Jahr nach der Tat entdeckt der neue Freund von Gabriele P. die Leiche während seines Urlaubs. Statt zur Polizei zu gehen, stellt er erst seine Lebensgefä­hrtin zur Rede und bittet danach einen Bekannten um Hilfe. Zu dritt verscharre­n sie den Leichnam im Garten – dort, wo das Paar später in einer freien Zeremonie nach buddhistis­chem Ritus heiratet.

„Dunkles Geheimnis“im Garten

Erst Jahre danach fliegt die Tat auf, als der neue Freund von Gabriele P. betrunken auf einer Party von einem „dunklen Geheimnis“erzählt, das über dem Haus liege. Über mehrere Ecken gelangt diese Nachricht zur Polizei, die Anfang 2016 das Anwesen von Gabriele P. durchsucht. Im Garten finden die Ermittler schließlic­h die Leiche.

Direkt nach der Festnahme gesteht die Studentin die Tat, zum Motiv aber macht sie ungenaue oder widersprüc­hliche Aussagen. Zudem gibt sie an, keine Erinnerung­en an die Geschehnis­se zu haben. In einer Erklärung sagt sie: „Mir ist unbegreifl­ich, wie es zu meiner Tat gekommen ist. Ich soll etwas erklären, was ich selbst nicht verstehe.“Auch dem Gericht sei es nicht möglich gewesen, ein griffiges Tatmotiv zu finden, erklärt Richter Michael Höhne. „Als kleinster Nenner bleibt ihre Unzufriede­nheit über ihre Beziehung und ihre Gesamtsitu­ation.“

Mit ihrem Urteil folgt die Kammer der Verteidigu­ng, die im Gegensatz zur Staatsanwa­ltschaft keine lebenslang­e Freiheitss­trafe wegen Mordes gefordert hat. Verteidige­rin Birgit Schwerdt gibt sich hinterher „sehr zufrieden“und sagt: „Ich denke nicht, dass wir in Revision gehen.“Inwieweit die Staatsanwa­ltschaft gegen das Urteil Einspruch erheben wird, lässt sie gestern offen.

Derweil teilt der Anwalt der Nebenkläge­r mit: „Das Urteil ist für die Eltern zu akzeptiere­n.“Sie würden „keinerlei Rache- oder Hassgefühl­e“empfinden. An einem der vorangegan­genen Prozesstag­e hat die Mutter von Alexander H. sogar den Kontakt zu Gabriele P. gesucht. Als beide in einer Situation vor dem Richtertis­ch stehen, ergreift die Frau die Hand der Angeklagte­n – die Hand, die ihren Sohn getötet hat.

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FOTO: PATRIK STÄBLER Die Angeklagte Gabriele P. vor der Urteilsver­kündung im Gerichtssa­al.

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