Steinmeier setzt in Polen auf Entspannung
Bundespräsident hebt kulturelle Verbundenheit mit dem Nachbarland hervor
(dpa) - Als Student, gesteht Frank-Walter Steinmeier, habe er mal versucht, die polnische Sprache zu lernen. Doch daraus wurde nicht viel. Bei der prunkvollen Militärzeremonie am Freitag in Warschau zu seiner Begrüßung ruft der Bundespräsident aber laut: „Czolem zolnierze (Guten Tag, Soldaten)“, auf polnisch. „Polen liegt mir am Herzen“, sagt er dann später. Auf deutsch.
Politisch läuft es nicht so gut zwischen Deutschland und Polen, auch deshalb nimmt Steinmeier einen Umweg. Gemeinsam mit Polens Präsidenten Andrzej Duda besucht er die Warschauer Buchmesse, ein Zeichen für die kulturelle Verbundenheit beider Länder. „Worte bewegen“ist das Motto des deutschen Messestands. Eine Handvoll Demonstranten empfangen Duda mit Protesten: „Verfassung, Verfassung“rufen sie und halten das aus ihrer Sicht bedrohte polnische Grundgesetz in die Höhe.
So kompliziert ist die deutsch-polnische Lage, dass Steinmeier in seiner Rede sogar Thomas Manns „Zauberberg“zu Hilfe ruft und die Fehde zwischen dem Aufklärer Settembrini und dem Fundamentalisten Naphta zitiert. Auch der frühere polnische Präsident Lech Kaczynski habe sich einmal als Freund Settembrinis zu erkennen gegeben, sagt Steinmeier. Ob das Jaroslaw, den Bruder des 2010 ums Leben gekommenen Lech Kaczynski, beeindruckt, darf bezweifelt werden.
Die Erwartungen an den Besuch waren auf beiden Seiten nicht hoch. Duda hielt es sogar für angemessen, vor dem Treffen mit Steinmeier die bekannten kritischen Punkte noch einmal in aller Schärfe zu formulieren. Stichwort Flüchtlingskrise: „Polen wird nie zulassen, dass in Polen Zwangslager für Flüchtlinge entstehen, die gegen ihren Willen hergebracht werden“, ließ er seinen Berater Krzysztof Szczerski erklären.
Wenig Bewegung im Streit
Weitere Streitpunkte: Die europäische Kritik an der Gängelung des Verfassungsgerichts, die Ostsee-Pipeline Nordstream und die Rechte der polnischen Minderheit in Deutschland. Bewegung gab es dabei kaum, Steinmeier war schon froh, dass überhaupt noch gesprochen wurde.
Das deutsch-polnische Verhältnis ist seit dem Regierungsantritt der Partei Recht und Gerechtigkeit PiS im Jahr 2015 strapaziert worden. Gastgeber Duda gehört aber zu den angenehmeren Gesprächspartnern, wie Steinmeier aus seiner Zeit als Außenminister weiß. Er gilt als deutschlandfreundlich. Auch Regierungschefin Beata Szydlo hat nach einigem Hin und Her doch Zeit für ihren Gast.
Szydlo hatte die deutsche Flüchtlingspolitik kritisiert, in schlechter Erinnerung ist auch der Eklat beim EU-Gipfel in Brüssel, als sie im März die Wiederwahl des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk verhindern wollte. Als einziges Land hatte sich Polen gegen den Ex-Regierungschef gestellt, einen Erzfeind des PiS-Chefs Kaczynski. Die Niederlage quittierte PiS mit Anti-Deutschland-Rhetorik.
Dennoch ist diese Kritik leiser geworden. Hatte die PiS anfangs noch London statt Berlin zum wichtigsten polnischen Partner erklärt, zwingt sie der bevorstehende EU-Austritt der Briten jetzt zu einer Kurskorrektur.