Ipf- und Jagst-Zeitung

Steinmeier setzt in Polen auf Entspannun­g

Bundespräs­ident hebt kulturelle Verbundenh­eit mit dem Nachbarlan­d hervor

- Von Thomas Lanig und Natalie Skrzypczak

(dpa) - Als Student, gesteht Frank-Walter Steinmeier, habe er mal versucht, die polnische Sprache zu lernen. Doch daraus wurde nicht viel. Bei der prunkvolle­n Militärzer­emonie am Freitag in Warschau zu seiner Begrüßung ruft der Bundespräs­ident aber laut: „Czolem zolnierze (Guten Tag, Soldaten)“, auf polnisch. „Polen liegt mir am Herzen“, sagt er dann später. Auf deutsch.

Politisch läuft es nicht so gut zwischen Deutschlan­d und Polen, auch deshalb nimmt Steinmeier einen Umweg. Gemeinsam mit Polens Präsidente­n Andrzej Duda besucht er die Warschauer Buchmesse, ein Zeichen für die kulturelle Verbundenh­eit beider Länder. „Worte bewegen“ist das Motto des deutschen Messestand­s. Eine Handvoll Demonstran­ten empfangen Duda mit Protesten: „Verfassung, Verfassung“rufen sie und halten das aus ihrer Sicht bedrohte polnische Grundgeset­z in die Höhe.

So komplizier­t ist die deutsch-polnische Lage, dass Steinmeier in seiner Rede sogar Thomas Manns „Zauberberg“zu Hilfe ruft und die Fehde zwischen dem Aufklärer Settembrin­i und dem Fundamenta­listen Naphta zitiert. Auch der frühere polnische Präsident Lech Kaczynski habe sich einmal als Freund Settembrin­is zu erkennen gegeben, sagt Steinmeier. Ob das Jaroslaw, den Bruder des 2010 ums Leben gekommenen Lech Kaczynski, beeindruck­t, darf bezweifelt werden.

Die Erwartunge­n an den Besuch waren auf beiden Seiten nicht hoch. Duda hielt es sogar für angemessen, vor dem Treffen mit Steinmeier die bekannten kritischen Punkte noch einmal in aller Schärfe zu formuliere­n. Stichwort Flüchtling­skrise: „Polen wird nie zulassen, dass in Polen Zwangslage­r für Flüchtling­e entstehen, die gegen ihren Willen hergebrach­t werden“, ließ er seinen Berater Krzysztof Szczerski erklären.

Wenig Bewegung im Streit

Weitere Streitpunk­te: Die europäisch­e Kritik an der Gängelung des Verfassung­sgerichts, die Ostsee-Pipeline Nordstream und die Rechte der polnischen Minderheit in Deutschlan­d. Bewegung gab es dabei kaum, Steinmeier war schon froh, dass überhaupt noch gesprochen wurde.

Das deutsch-polnische Verhältnis ist seit dem Regierungs­antritt der Partei Recht und Gerechtigk­eit PiS im Jahr 2015 strapazier­t worden. Gastgeber Duda gehört aber zu den angenehmer­en Gesprächsp­artnern, wie Steinmeier aus seiner Zeit als Außenminis­ter weiß. Er gilt als deutschlan­dfreundlic­h. Auch Regierungs­chefin Beata Szydlo hat nach einigem Hin und Her doch Zeit für ihren Gast.

Szydlo hatte die deutsche Flüchtling­spolitik kritisiert, in schlechter Erinnerung ist auch der Eklat beim EU-Gipfel in Brüssel, als sie im März die Wiederwahl des EU-Ratspräsid­enten Donald Tusk verhindern wollte. Als einziges Land hatte sich Polen gegen den Ex-Regierungs­chef gestellt, einen Erzfeind des PiS-Chefs Kaczynski. Die Niederlage quittierte PiS mit Anti-Deutschlan­d-Rhetorik.

Dennoch ist diese Kritik leiser geworden. Hatte die PiS anfangs noch London statt Berlin zum wichtigste­n polnischen Partner erklärt, zwingt sie der bevorstehe­nde EU-Austritt der Briten jetzt zu einer Kurskorrek­tur.

 ?? FOTO: DPA ?? Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und die Ministerpr­äsidentin Polens, Beata Szydlo.
FOTO: DPA Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und die Ministerpr­äsidentin Polens, Beata Szydlo.

Newspapers in German

Newspapers from Germany