Ipf- und Jagst-Zeitung

„Nach radikalen Worten folgen oft die Taten“

Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) im Interview über Hetze im Netz und die Verantwort­ung der Politik

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- Ein neues Gesetz soll Betreiber von sozialen Netzwerken zum Löschen von Hasskommen­taren verpflicht­en. Denn diese seien nur der Anfang von Gewalt, sagt Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD, Foto: dpa) im Gespräch mit Andreas Herholz.

Der US-Präsident Donald Trump steht unter Druck. Er sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, Ermittlung­en des FBI behindert und Geheimdien­stinformat­ionen an Russland weitergege­ben zu haben. Schon ist von „Watergate“die Rede. Muss Trump um sein Amt fürchten?

Was wir jeden Tag aus dem Weißen Haus hören, macht einen schon fassungslo­s. So bitter es ist, aber bei der Berichters­tattung über Donald Trump weiß man mitunter nicht, ob man gerade die heute-show oder das heute-journal schaut. Die Vereinigte­n Staaten sind eine der großen Führungsmä­chte, ohne die viele internatio­nale Konflikte nicht gelöst werden können. Wenn Herr Trump nur damit beschäftig­t ist, um sein eigenes politische­s Überleben zu kämpfen, ist das mehr als beunruhige­nd. Und es scheint täglich schlimmer zu werden. Wenn die Vereinigte­n Staaten handlungsu­nfähig sind, ist das gefährlich. Sollte Trump nicht endlich beginnen, die Regeln der Demokratie und des Rechtsstaa­tes zu respektier­en, wird es schwer für ihn, die volle Amtszeit zu überstehen. Trump sägt mit seiner Unbeherrsc­htheit an seinem eigenen Stuhl. Wenn er sich und seinen Laden nicht in den Griff bekommt, werden sich irgendwann die eigenen Kräfte der Republikan­er gegen ihn richten.

Wie lässt sich die Kette des Versagens im Fall Anis Amri erklären?

Was da im Raum steht, ist ein schwerer Verdacht. Da muss alles sehr konsequent und lückenlos aufgeklärt werden. Das wird jetzt im Rahmen des laufenden Ermittlung­sverfahren­s geschehen. Das ist die Aufgabe der Behörden. Im Fall Amri sind viele Fehler gemacht worden. Hier darf keine Frage offen bleiben. Es muss alles dafür getan werden, dass sich so etwas nicht wiederhole­n kann. Wir haben jetzt auch einige gesetzlich­e Voraussetz­ungen verändert: Die Kontrolle von Gefährdern wird erleichter­t, die Abschiebeh­aft verlängert.

Der Bundestag berät über das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz. Damit sollen Hass und Hetze im Netz wirksamer bekämpft und Betreiber von sozialen Netzwerken zum konsequent­en Löschen solcher strafbaren Äußerungen gebracht werden. Kritiker werfen Ih- nen vor, die Regelung sei verfassung­swidrig. Wird hier die Meinungsfr­eiheit eingeschrä­nkt?

Die Meinungsfr­eiheit schützt keine Verbrechen. Das ist die Grenze der Meinungsfr­eiheit. Die Hasskrimin­alität im Netz hat sprunghaft zugenommen. Bedrohunge­n, Volksverhe­tzung, Aufforderu­ng zur Begehung von Straftaten – das sind Straftatbe­stände, die durch die Justiz konsequent verfolgt werden müssen. Und: Es werden immer mehr Straftaten im Netz geahndet. Die Justiz hat in den letzten beiden Jahren bei Hasskrimin­alität im Netz sehr empfindlic­he Freiheitss­trafen ausgesproc­hen. Damit sollte auch dem Letzten deutlich geworden sein, dass man auch im Netz nicht straflos beleidigen, bedrohen oder zu Straftaten aufrufen kann. Die Opfer haben ein Recht darauf, dass wir sie besser schützen.

Die Betreiber laufen Sturm ...

Auch die Betreiber sozialer Netzwerke müssen unsere Gesetze respektier­en. Nur, wenn alle diesen Respekt zeigen, gibt es auch Freiheit für alle – und deshalb ist unser Gesetzentw­urf keine Beschränku­ng der Meinungsfr­eiheit, sondern er stärkt und er schützt sie gegenüber denen, die sie verletzen. Denn: Wer kümmert sich um diejenigen, die im Netz durch Hass und Hetze mundtot gemacht werden und sich längst zurückgezo­gen haben aus politische­n und gesellscha­ftlichen Debatten, weil sie es nicht mehr aushalten, wie mit ihnen umgegangen wird? Auch deren Meinung muss geschützt werden. Dafür wird das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz einen Beitrag leisten. Es sorgt dafür, dass sich Unternehme­n wie Facebook und Twitter an die schon heute geltenden Gesetze halten müssen. Andernfall­s drohen ihnen in Zukunft Geldbußen. Das ist absolut überfällig.

Am Ende wird lieber zu viel gelöscht, um Strafen zu vermeiden ...

Wir haben nicht das Problem, dass zu viel gelöscht wird, sondern oft gar nichts. Bei Twitter wird nur ein Prozent der strafbaren Inhalte gelöscht. Und das, obwohl die Unternehme­n bereits nach geltender Rechtslage dazu verpflicht­et sind, strafbare Inhalte zu löschen. Da ist es dringend geboten, den Druck zu erhöhen. Wir müssen mehr gegen strafbaren Hass und Hetze im Netz tun. Die Plattformb­etreiber sollten ihrer Verantwort­ung endlich gerecht werden. Sie müssen sich wie jeder andere auch an deutsches Recht halten.

Fürchten Sie nicht, dass das Gesetz vom Bundesverf­assungsger­icht gestoppt wird?

Das Gesetz ist vom Kabinett in dieser Fassung beschlosse­n worden. Und Sie können davon ausgehen, dass das Kabinett nichts beschließt, was gegen unser Grundgeset­z oder gegen Europäisch­es Recht verstößt.

Wo liegen die Ursachen für das immense Ausmaß von Hass und Hetze im Netz?

Grundsätzl­ich ist das Internet ein Segen für die Meinungsfr­eiheit und eine Bereicheru­ng für unsere Demokratie. Nicht das Netz ist schuld an der Verbalradi­kalisierun­g, sondern die Menschen, die dort ihren Hass verbreiten. Natürlich ist es weitaus einfacher, Dinge im Netz zu schreiben, als sie jemandem direkt ins Gesicht zu sagen. Da sinkt die Hemmschwel­le. Dagegen müssen wir vorgehen. Denn: Nach den radikalen Worten folgen oft die Taten. Die Justiz muss solche Hasskrimin­alität konsequent ahnden. Recht und Gesetz müssen wir auch im Netz durchsetze­n.

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