Autoindustrie wird zur Chefsache
Ministerpräsident Kretschmann trifft Konzernspitzen – Enge Zusammenarbeit vereinbart
- Dieser Gipfel durfte gar nicht so heißen, doch die hochkarätige Besetzung sorgte für ein reges Medieninteresse: Die Konzernspitzen der Automobilindustrie und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) haben sich am Freitag in Stuttgart zu einem zweistündigen Gespräch über den Umbruch der Branche getroffen. Gemeinsames Ziel: BadenWürttemberg soll nach Ende des Verbrennungsmotors Autoland Nummer eins bleiben. Über Zeitschiene und andere Details dürfte es trotz des Schulterschlusses Debatten geben, auch mit Umweltverbänden und Gewerkschaften.
Kretschmann hatte rund 40 Teilnehmer ins Neue Schloss geladen, darunter Daimler-Chef Dieter Zetsche, Bosch-Chef Volkmar Denner, Porsche-Vize Lutz Meschke und ZFVorstand Stefan Sommer. Der Gastgeber hatte betont, es handle sich um den Auftakt zu einem länger angelegten Prozess, nicht um eine einmalige Aktion – und sich deshalb Vergleiche mit Gipfeltreffen verboten.
Hochkarätig besetzt
Die hochkarätige Besetzung und das repräsentative Flair zeigen dennoch, dass der Ministerpräsident das Thema zur Chefsache gemacht hat – und das durchaus auch mit Blick auf die Außenwirkung. Es laufen zwar durchaus andere Gesprächsrunden zu ähnlichen Themen. Im Wirtschaftsministerium trifft sich demnächst eine Runde, die die Umbrüche der Industrie und ihre Auswirkungen beleuchtet, im Verkehrsministerium debattieren Automobiler und Landesregierung über die Farge, wie sich alte Dieselfahrzeuge nachrüsten lassen.
Doch Kretschmann nimmt sich den Dingen nun öffentlichkeitswirksam selbst an, weil der Druck auf die Industrie nach dem Dieselskandal und der Feinstaubdebatte wächst. Das ist schädlich für das Image des Landes und für seine Wirtschaftskraft. Daher betonten sowohl Politiker als auch Konzernchefs das gemeinsame Ziel. „Das Auto und die Mobilität der Zukunft müssen weiterhin Made in Baden-Württemberg sein“, sagte Kretschmann. Das Land müsse seine Vorreiterrolle behalten, auch um Jobs zu sichern.
Dafür sollen nun mit der Industrie regelmäßige Gespräche stattfinden. Es geht um Fragen, vor denen die Branche steht: Was kommt nach dem Verbrennungsmotor – und was bedeutet das für jene Arbeitsplätze, an denen die Motoren bislang entstehen? Woher kommt der Strom für Elektroautos? Wie begegnet man Konkurrenz von Tesla und Google?
Diesel nur am Rande ein Thema
Das Streitthema Diesel streiften die Beteiligten nur am Rande. Der Ministerpräsident betonte erneut, er halte einen weiter entwickelten Dieselmotor solange für notwendig, wie Elektromotoren und andere Technologien nicht marktreif seien. BoschVorstand Denner sagte : „Die Gesetzgebung in Deutschland muss technologieneutral bleiben.“
Auch Stefan Sommer, Vorstandsvorsitzender des Friedrichshafener Getriebespezialisten ZF, betonte, die Poiltik müsse gerade in Zeiten des technologischen Umbruchs verlässliche Rahmenbedingungen bieten, etwa bei den rechtlichen Grundlagen für autonomes Fahren.
Hier gibt es viele offenen Fragen – vor allem dazu, wer für mögliche Unfälle verantwortlich ist. Gerne zitiert werden ethische Grenzfälle, in denen sich der Computer entscheiden muss, ob er bei einem Unfall Passanten oder Insassen in Lebensgefahr bringt. „Die Fahrzeug- und die Verkehrssicherheit steigt beim Einsatz künstlicher Intelligenz“, betonte Sommer. Es sei nicht hilfreich, nur auf absolute Ausnahmesituationen zu schauen. Stattdessen brauche es einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen, der die notwendigen Freiheiten für die Entwicklung lasse.
Die Landesvorsitzende des Umweltverbandes BUND, Brigitte Dahlbender, forderte, die Klimaverträglichkeit der anstehenden Neuentwicklungen stärker zu berücksichtigen. „Dieser Umbruch wird Energie und Ressourcen verbrauchen. Es reicht nicht, das in anderen Gremien zu debattieren“, sagte Dahlbender nach dem Gipfel. Sie werde deshalb Kretschmann nochmals bitten, diese Fragen ebenfalls in den Dialog mit der Industrie einzubringen. „Wir haben die einmalige Chance, den Klimaund Naturschutz bei einer technologischen Revolution mitzudenken. Diese sollten wir nicht vertun.“